Aktuelle Neurologie 2007; 34(10): 545-546
DOI: 10.1055/s-2007-986257
Aktuelles Thema

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Neurologische Intensiv- und Notfallmedizin (DGNI) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)  zur Neurologischen Intensivmedizin

Position Statement of the DGN and DGNI on Neurological Intensive Care Medicine
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 December 2007 (online)

Die Intensivmedizin in Deutschland hat einen hohen Standard, der in den vergangenen Jahren besonders durch die Diversifizierung in die fachgebundene Intensivmedizin gewonnen hat. Die Behandlung neurologischer Erkrankungen hat von dieser Entwicklung in besonderem Umfang profitiert. Das neurologische Fachgebiet gehört heute zu jenen sechs Disziplinen, in denen gemäß Weiterbildungsordnung aufgrund ihres besonders hohen Anteils an intensivpflichtigen lebensbedrohlichen Erkrankungen die fachspezifische Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin” erworben werden kann.

Die Entwicklung der Neurologischen Intensivmedizin wird in Deutschland getragen von der Deutschen Gesellschaft für Neurologische Intensiv- und Notfallmedizin (DGNI) in der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Sie ist Mitglied der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). In Deutschland werden heute etwa 500 neurologische Intensivbetten betrieben. Die Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie umfasst mindestens 6 Monate Tätigkeit in der intensivmedizinischen Versorgung neurologischer Patienten. Die DGNI hält seit über 20 Jahren einen Jahreskongress mit ca. 1000 Teilnehmern ab. Neurologische Intensivtherapie ist ein regelmäßiger Bestandteil der Fortbildungsakademie der DGN, die auch neurologische Intensivpflegeausbildungen anbietet.

Durch die ökonomischen Zwänge im Gesundheitssystem wurde die Intensivmedizin schon lange als kostenträchtiger Leistungsträger im Krankenhaus identifiziert. Daher liegt die Suche nach kostenoptimierten Organisationsformen dieser Behandlungseinheiten nahe. Die DGN und die DGNI unterstützen Innovationen, die der Kostenersparnis dienen. Eine Anpassung ist notwendig und sinnvoll, sofern dabei nicht die Qualität der Behandlung auf dem Spiel steht. Wir weisen darauf hin, dass häufig das Kostenargument nicht richtig ist, da vielerorts die neurologischen Intensivtherapiestationen kostengünstiger als andere spezialisierte Intensivtherapieeinheiten arbeiten. Verschiedentlich wird sogar gefordert, dass die fachspezifische Intensivtherapie rückgängig gemacht werden solle. Hier besteht die Gefahr, dass aus ökonomischen Gründen, unter ökonomischen Vorwänden oder aus anderen Gründen ein signifikanter Qualitätsverlust für die Versorgung neurologischer kritisch-kranker Patienten droht. Darüber hinaus sind unter solchen Bedingungen die fachspezifische Weiterbildung, Lehre und Forschung gefährdet. Diese Entwicklungen beobachten die DGNI und die DGN mit Sorge. Daher haben sich beide Gesellschaften entschlossen, Eckpunkte für die Versorgung intensivtherapiepflichtiger neurologischer Patienten zu formulieren:

Die günstigste Organisationsform von Intensivbehandlungseinheiten im Krankenhaus richtet sich in hohem Maße nach den lokalen Gegebenheiten. In jedem Falle müssen aber die Maßgaben der DIVI zur Struktur von Intensivtherapieeinheiten organisatorisch, strukturell und personell umgesetzt werden (http://www.divi-org.de/). Grundsätzlich ist der Einrichtung eigenständiger neurologischer Intensivtherapiestationen aus den genannten inhaltlichen Gründen der Vorzug zu geben. Dies sollte an neurologischen Universitätskliniken und in allen großen neurologischen Akutkliniken gelingen. Besteht keine eigene neurologische Intensivtherapiestation, dann kann ein Zusammenschluss mehrerer Fachgebiete auf einer multidisziplinären Intensivtherapiestation sinnvoll sein. Für die Neurologie liegt ein Zusammenschluss mit der Neurochirurgie oder der Inneren Medizin nahe. Auch in einer multidisziplinären Intensivtherapiestation muss die neurologische Versorgungsqualität (und fachbezogene Lehre und Forschung) erhalten werden. In der Regel wird dies durch die Trennung der organisatorischen und der medizinischen Verantwortung gelöst. Dabei sollte die medizinische Vollverantwortung in den Händen des fachspezifischen Verantwortungsträgers auch dann bleiben, wenn die organisatorische Leitung einem anderen Arzt der beteiligten Fachgebiete übertragen wird. Auf den multidisziplinären Intensivtherapiestationen muss für die Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie auch die Ausbildungskapazität für die 6-monatige intensivmedizinische Versorgung neurologischer Patienten vorgehalten werden. Multidisziplinäre Intensivtherapiestationen ohne intensivmedizinisch qualifizierten Neurologen, der die medizinische Verantwortung übernimmt, können Patienten mit Erkrankungen des Nervensystems nicht mit der gebotenen Qualität behandeln. Auch aus juristischer Sicht sollten solche Häuser rechtzeitig Fragen des Organisations- oder Übernahmeverschuldens mit dem Ziel prüfen, ob nicht eine enge Kooperation mit einem (selbst wohnortfernen) Krankenhaus höherer Versorgungsstufe zur Wahrung der Versorgungsqualität angezeigt ist.

PD Dr. W. Müllges, 1. Vorsitzender der DGNI

Prof. Dr. G. Deuschl, 1. Vorsitzender der DGN

Prof. Dr. Günther Deuschl

Klinik für Neurologie Universitäsklinikum Schleswig-Holstein

Schittenhelmstr. 10

24105 Kiel

Email: g.deuschl@neurologie.uni-kiel.de

    >