Gibt es tagesabhängige Schielwinkelschwankungen?

Hintergrund: Die klinische Erfahrung zeigt, dass Schielwinkel keine statische Größe sind, sondern Schwankungen unterliegen. In der vorliegenden Studie sollte der Einfluss verschiedener Tageszeiten untersucht werden.

Methoden: Im Rahmen einer prospektiven klinischen Studie wurden bei n=142 Patienten mit Strabismus concomitans und zentraler Fixation die Schielwinkel mittels Maddox-Kreuz und alternierendem Prismencovertest (APCT) in 5m und 33cm zu verschiedenen Tageszeiten (8–10, 12–14, 17–21 Uhr) gemessen.

Ergebnisse: Es konnte eine signifikante Zunahme des APCT in 33cm nachgewiesen werden. Dies galt sowohl für konvergente (p<0,005) als auch divergente (p<0,0005) Abweichungen. 106 Patienten (74%) zeigten eine Winkelveränderung im APCT 33cm, diese beträgt im Schnitt 4,73cm/m (Standardabweichung: 3,63). Bei convergenten Abweichungen zeigte sich dieser Effekt nur bei nicht voroperierten Patienten. Bei divergenten Abweichungen kam er besonders bei vorhandenen Binokularfunktionen zum Tragen. Andere Einflussfaktoren konnten nicht identifiziert werden.

Schlussfolgerungen: Im Tagesverlauf zeigte sich eine signifikante Vergrößerung der Schielwinkel bei Nahfixation in allen Schielformen. Besonders betroffen scheinen nicht voroperierte konvergente Schieler als auch Patienten mit Divergenzstrabismus und vorhandenem Binokularsehen zu sein. Da die Schwankungen durchaus für die Operationsdosierung relevant sind, ist es nach den vorliegenden Ergebnissen empfehlenswert, die Schielwinkel präoperativ mehrmals am Tag bzw. später im Tagesverlauf mit zu beurteilen.

Meist werden Schielwinkeldifferenzen in unterschiedlichen Distanzen, bei verschiedenen Messmethoden oder Akkommodationsanreizen als Schwankungen fehlgedeutet. Unabhängig von solchen methodischen Fehldeutungen gibt es aber echte schwankende Schielwinkel, bei denen man von veränderlichem Innervationsmuster ausgehen kann.