Zielsetzung: Darstellung der Erfahrungen mit dem „off-label“-Einsatz von Misoprostol (Cytotec©)
zur Geburtseinleitung über einen Zeitraum von 1,5 Jahren in einem Perinatalzentrum
mit einem hohen Anteil von Hochrisikoschwangeren. Vorstellung eines erprobten Behandlungsregimes.
Material und Methoden: Datenerfassung und Auswertung bei 226 Geburtseinleitungen mit Misoprostol (Cytotec®)
bei einem umschriebenen Patientenkollektiv in einem Perinatalzentrum von 08/2005 bis
12/2006. Untersucht wurden Einlingsschwangerschaften ab der 32+0 SSW hinsichtlich
Einleitungsverlauf, Geburtsmodus, maternalem Outcome (Komplikationen wie Uterusruptur,
Uterusatonie, Plazentalösungsstörungen, etc.) und neonatalem Outcome (fetal distress,
Azidoserate, Asphyxierate, Verlegung in Kinderklinik). Es erfolgt ein Vergleich der
Ergebnisse innerhalb des Kollektives bei unterschiedlichen Dosierschemata (50µg/100µg
vs. 50µg/50µg).
Ergebnisse: Der Einsatz von Misoprostol erfolgte in allen Fällen nach Aufklärung der Patientin
über den „off-label“-Einsatz und schriftlicher Einwilligung. Die häufigsten Indikationen
zur Geburtseinleitung waren der vorzeitige Blasensprung, die Terminüberschreitung,
V.a. Plazentainsuffizienz, maternale Erschöpfung, Gestationsdiabetes sowie die SIH/Präeklampsie.
Das Ziel der vaginalen Geburt wurde erreicht in 77% der begonnenen Einleitungen (Spontangeburt
68%, vaginal-operative Geburt 9%), bei 23% wurde die Einleitung abgebrochen und eine
sekundäre Sectio caesarea indiziert. Als seltene, aber schwerwiegende maternale Komplikationen
wurden beobachtet: Atonie Grad II-III mit oder ohne Plazentaretention, vorzeitige
Plazentalösung sowie Schulterdystokie.
In einem Fall (0,44%) trat eine schwere Asphyxie kombiniert mit einem 5-Minuten APGAR
<5 in Kombination mit einer schweren Azidose mit pH<7,00 auf, was einem kritischen
fetalen Outcome i.S. der BQS-Definition entspricht. Ein Kind verstarb trotz durchgeführter
Notsectio und umgehend eingeleiteter Reanimation durch die anwesenden Pädiater. Nach
ICD-10-Kriterien lag bei 10,6% der Neugeborenen eine leichte bis mäßige Asphyxie und
bei 2,7% eine schwere Asphyxie vor.
Schlussfolgerung: Der Einsatz von Misoprostol zur Geburtseinleitung wird seit geraumer Zeit kontrovers
diskutiert. Unter der Voraussetzung einer strengen Indikationsstellung der Einleitung
und einer ergebnisoffenen Patientenaufklärung sowie der schriftlichen Dokumentation
des „off-label“-Einsatzes scheint der Einsatz unter klinischen Bedingungen vertretbar.
Die Akzeptanz bei den Patientinnen ist durchweg hoch, eine Ablehnung erfolgt selten.
Das niedriger dosierte Therapieschema mit Dosen von 50µg mit einer Einschränkung bis
40+5 SSW zeigte im untersuchten Kollektiv gegenüber dem Schema mit einer Startdosis
von 50µg und den Folgedosen von 100µg eine höhere vaginale Entbindungsrate innerhalb
24 Stunden bei einer geringeren Rate an schwerwiegenden maternalen und fetalen Komplikationen.