Hintergrund: Häufige Ursachen des neonatalen Abstinenzsyndroms sind die intrauterine Exposition
des Feten mit Nikotin, illegalen Drogen oder Methadon. Dagegen liegt bisher nur ein
Bericht über ein mildes, nicht medikamentös behandlungsbedürftiges Abstinenzsyndrom
nach Anwendung von Fentanylpflaster (125µg) in der Schwangerschaft vor [BJOG 2000;
107:570–2]. Fallbericht: Wir berichten den Fall eines schweren neonatalen Abstinenzsyndroms aufgrund transdermaler
Fentanylapplikation während der Schwangerschaft. Die 27-jährige Mutter wurde bei chronischen
Schmerzen aufgrund eines Bandscheibenvorfalls mit Fentanylpflaster (75µg, Wechsel
2-täglich) behandelt. Eine Zusatzmedikation bestand aus Metamizol und Lokalanästhesie.
Die letzte Fentanylapplikation erhielt sie 2 Tage vor der Geburt. Eine Amniozentese
in der 15. Woche war unauffällig. Die Aufklärung der Mutter beinhaltete keine Warnung
vor einem möglichen ausgeprägten neonatalen Abstinenzsyndrom. Die Geburt erfolgte
durch elektive Sectio in der 37. SSW. Die Spinalanästhesie umfasste 2,7ml Bupivacain
0,5% spinal, Fentanyl 25µg spinal, Midazolam 2,5mg, Theodrenalin und Cafedrin 2mal
2ml. Apgar 7–9-10, Geburtsgewicht 3260g. Nach 24 Stunden entwickelten sich erste Entzugssymptome
(muskulärer Hypertonus, Tremor, Erbrechen, Kratzen und schrilles Schreien). Die Urinuntersuchung
war positiv für Opioide. Weitere Laboruntersuchungen (Infektionsparameter, Elektrolyte
und Blutzucker), das metabolische Screening und die Hirnsonographie waren unauffällig.
Der Finnegan-Score stieg im Verlauf auf max. 21. Eine orale Therapie mit tinctura
opii (0,4% Morphin-Lsg.) wurde mit 0,45mg/kg begonnen. Insgesamt war eine Morphintherapie
für 4 Wochen erforderlich. Schlussfolgerung: Entgegen des einzigen Berichtes in der Literatur beobachteten wir ein schweres neonatales
Abstinenzsyndrom nach transdermaler Anwendung von Fentanyl in der Schwangerschaft.
Die Mutter war über die Möglichkeit einer solch schwerwiegenden Komplikation nicht
aufgeklärt worden. Unser Fall sollte daher hinsichtlich Indikation und Anwendung transdermalen
Fentanyls bei Schwangeren mit chronischen Schmerzen und der Überwachung ihrer Neugeborenen
berücksichtigt werden.