Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - P146
DOI: 10.1055/s-2007-983217

Schweres neonatales Abstinenzsyndrom nach transdermaler Fentanylapplikation in der Schwangerschaft

C Richter 1, A Gkatzoflia 1, KP Zimmer 1, M Heckmann 1
  • 1Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen

Hintergrund: Häufige Ursachen des neonatalen Abstinenzsyndroms sind die intrauterine Exposition des Feten mit Nikotin, illegalen Drogen oder Methadon. Dagegen liegt bisher nur ein Bericht über ein mildes, nicht medikamentös behandlungsbedürftiges Abstinenzsyndrom nach Anwendung von Fentanylpflaster (125µg) in der Schwangerschaft vor [BJOG 2000; 107:570–2]. Fallbericht: Wir berichten den Fall eines schweren neonatalen Abstinenzsyndroms aufgrund transdermaler Fentanylapplikation während der Schwangerschaft. Die 27-jährige Mutter wurde bei chronischen Schmerzen aufgrund eines Bandscheibenvorfalls mit Fentanylpflaster (75µg, Wechsel 2-täglich) behandelt. Eine Zusatzmedikation bestand aus Metamizol und Lokalanästhesie. Die letzte Fentanylapplikation erhielt sie 2 Tage vor der Geburt. Eine Amniozentese in der 15. Woche war unauffällig. Die Aufklärung der Mutter beinhaltete keine Warnung vor einem möglichen ausgeprägten neonatalen Abstinenzsyndrom. Die Geburt erfolgte durch elektive Sectio in der 37. SSW. Die Spinalanästhesie umfasste 2,7ml Bupivacain 0,5% spinal, Fentanyl 25µg spinal, Midazolam 2,5mg, Theodrenalin und Cafedrin 2mal 2ml. Apgar 7–9-10, Geburtsgewicht 3260g. Nach 24 Stunden entwickelten sich erste Entzugssymptome (muskulärer Hypertonus, Tremor, Erbrechen, Kratzen und schrilles Schreien). Die Urinuntersuchung war positiv für Opioide. Weitere Laboruntersuchungen (Infektionsparameter, Elektrolyte und Blutzucker), das metabolische Screening und die Hirnsonographie waren unauffällig. Der Finnegan-Score stieg im Verlauf auf max. 21. Eine orale Therapie mit tinctura opii (0,4% Morphin-Lsg.) wurde mit 0,45mg/kg begonnen. Insgesamt war eine Morphintherapie für 4 Wochen erforderlich. Schlussfolgerung: Entgegen des einzigen Berichtes in der Literatur beobachteten wir ein schweres neonatales Abstinenzsyndrom nach transdermaler Anwendung von Fentanyl in der Schwangerschaft. Die Mutter war über die Möglichkeit einer solch schwerwiegenden Komplikation nicht aufgeklärt worden. Unser Fall sollte daher hinsichtlich Indikation und Anwendung transdermalen Fentanyls bei Schwangeren mit chronischen Schmerzen und der Überwachung ihrer Neugeborenen berücksichtigt werden.