ZFA (Stuttgart) 2007; 83(5): 202-219
DOI: 10.1055/s-2007-977698
CME-Fortbildung

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Surfen auf der Informationsflut

Hausärztliche Fragen einfach, schnell und gezielt beantwortenSurf on the Flood of InformationAnswering GPs' Questions Easily, Quickly and EffectivelyA. Eberbach 1 , A. Sönnichsen 2 , A. Mainz 3 , A. Wagner 1 , A. Becker 1 , E. Baum 1 , N. Donner-Banzhoff 1
  • 1Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin der Philipps Universität, Marburg
  • 2Institut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin der Paracelsus Medizinischen Universität, Salzburg
  • 3Hausärztliche Gemeinschaftspraxis, Korbach
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Publication Date:
13 June 2007 (online)

Fragen, Fragen, Fragen…

Der Alltag in unseren Hausarztpraxen: Bei zehn Patienten ergeben sich mindestens drei Fragen! Das wissen wir u. a. aus Untersuchungen, bei denen sich eine Forscherin nach jedem Patientenkontakt vom Hausarzt die noch offenen Fragen hat geben lassen [1] [2] [3] [4] - und so lauten z. B. die Fragen und Unklarheiten: Braucht Frau M., die mit ihrem Gehgips nach Außenknöchelfraktur ganz munter in der Wohnung herumläuft, tatsächlich noch das Heparin? Herr K. wiederum hat vom Kardiologen in Ergänzung zu ASS, Simvastatin, Amlodipin und HCT auch noch Clopidogrel bekommen. Muss das sein? Und Herr E. sitzt nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wegen eines Angioödems unter einem ACE-Hemmer in der Sprechstunde. Ist die Empfehlung, ihn auf einen Angiotensin-Blocker umzustellen richtig?

Hinweis: Mindestens drei offene Fragen bleiben nach der Behandlung von zehn Patienten.

Nur selten gehen Hausärzte diesen Fragen nach [5]. Meist bleiben sie unbeantwortet [6]. Wir überweisen den Patienten oder regeln die Sache irgendwie mit dem Bauchgefühl. Letzteres ist gar nicht so schlecht - aber oft hätten wir es gerne solider. Meist wenden wir uns an Kollegen [7]; diese haben jedoch häufig eine andere Perspektive als wir, besonders wenn sie Spezialisten auf ihrem Gebiet sind. Und ob der Kollege tatsächlich auf dem neuesten Stand ist, das wissen wir nicht. Wir hören, die „Halbwertszeit des medizinischen Wissens” werde immer kürzer [8] und beobachten den Trend, dass zur Aktualisierung der soeben erschienenen Fachbücher Internetseiten angegeben werden. - Dort im weltweiten Netz ist aber schon allein die Zahl der möglichen Informationsquellen [9] kaum noch zu überschauen. Es mag sein, dass irgendwo auf dieser Welt tatsächlich eine valide Antwort auf jede Frage schlummert. Doch wie finde ich diese Antwort? Und wenn ich sie gefunden habe, kann ich der Quelle trauen?

Viele Fragen bleiben unbeantwortet.

Gleichzeitig werden wir täglich mit einem Übermaß an fachlicher Information bombardiert ([Abb. 1]). Schreiende Anzeigen in hochglänzenden Zeitschriften, die kostenlos in die Praxis kommen; Ermahnungen zur Sparsamkeit von Seiten der KV; die schmeichelnden Worte der Pharmareferenten. Da kommt reichlich Information, aber welche Interessen stecken dahinter? Bei all dem fragen wir uns, wo wir als Hausärzte und wo unsere Patienten bleiben.

Abb. 1 Die Informationsflut in der Praxis

Die tägliche Informationsflut hat viele Quellen.

Literatur

  • 1 Barrie AR, Ward AM. Questioning behaviour in general practice: a pragmatic study.  BMJ. 315;  1997 1512-1515
  • 2 Covell DG, Uman GC, Manning PR. Information needs in office practice: are they being met?.  Ann Intern Med. 1985;  103 596
  • 3 Gorman PN, Helfand M. Information seeking in primary care: how physicians choose which clinical questions to pursue and which to leave unanswered.  Med Decis Making. 1995;  15 113-119
  • 4 Timpka T, Ekstrom M, Bjurulf P. Information needs and information seeking behaviour in primary health care.  Scand J Prim Health Care. 1989;  7 105-109
  • 5 Juche A, Kunz R, Willlich St. et al . Implementierung evidenzbasierter Medizin in der hausärztlichen Praxis.  Z ärztl Fortbild Qual Gesundh wes. 2006;  100 383-387
  • 6 Ely JW, Osheroff JA, Chambliss ML. et al . Answering Physicians' clinical questions: Obstacles and potential solutions.  Journal of the American Medical Informatics Association. 2004;  12 217-224
  • 7 Coumou HC, Meijman FJ. How do primary care physicians seek answers to clinical questions? A literature review.  J Med Libr Assoc. 2006;  94 55-60
  • 8 Die Halbwertszeit des medizinischen Wissens habe sich seit 1970 von zehn auf vier Jahre verkürzt.  , (http://aekb.arzt.de Suche: „Halbwertszeit 1970”)
  • 9 Unter dem Stichwort „Asthma” werden bei google 1,53 Millionen Seiten in deutscher Sprache und 44,2 Millionen Hits weltweit aufgelistet (Stand: 23.2.2007). 
  • 10 Die Fünf Schritte der EbM: 1. Beantwortbare Fragen stellen, 2. Die beste Evidenz finden 3. Kritisches Prüfen der Informationen, 4. Handeln gemäß der Evidenz, 5. Überprüfung des Erfolgs (Vielfältige weiterer Informationen zu diesem Thema findet man im CEBM . , dem Center for Evidence-Based Medicine” der Universität Oxford unter der Adresse: http://www.cebm.net/learning_ebm.asp).
  • 11 Tang H, Hwee KnoonNg J. Googling for a diagnosis-use of Google als a diagnostic aid: internet based study.  BMJ. 2006;  333 1143-1145
  • 12 Gardner M. Diagnosis using search engines: Probably heralds a much more sophisticated web resource.  BMJ. 2006;  333 1131
  • 13 Nach Angaben von google wird bewusst auf bezahlte Platzierungen verzichtet und die Rangfolge der aufgelisteten Seiten mit der so genannten „Page-Rank-Technologie” ermittelt. Ziel ist die objektive Bewertung der Wichtigkeit von Webseiten. Dabei wird laut google eine Gleichung mit 500 Millionen Variablen und über 2 Milliarden Begriffen berechnet. Anstatt die direkten Links zu zählen . , interpretiert „Page Rank” im Wesentlichen einen Link von Seite A auf Seite B als “Votum” von Seite A für Seite B. „PageRank” bewertet dann die Wichtigkeit einer Seite nach den erzielten Voten. (Weitere Informationen zu diesem Thema findet man unter: http://www.google.de/corporate/tech.html.)
  • 14 Mit einem Doc-Check-Passwort erhalten Ärzte kostenlosen Zugang zu mehreren medizinischen Datenbanken der forschenden Arzneimittel-Hersteller wie z. B. Rote/Gelbe Liste und Fachinformationen. . , Grundlage der Passwortvergabe ist in der Regel die Vorlage der Approbationsurkunde. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.doccheck.com
  • 15 The Digitalis Investigation Group . The effect of digoxin on mortality and morbidity in patients with heart failure.  N Engl J Med. 1997;  336 525-533
  • 16 Uretsky BF, Young JB, Shahidi FE. et al . K. Randomized study assessing the effect of digoxin withdrawal in patients with mild to moderate chronic congestive heart failure: results of the PROVEDtrail. PROVED Investigative Group.  J Am Coll Cardiol. 1993;  22 955-962
  • 17 Parker MJ, Gillespie WJ, Gillespie LD. Effectiveness of hip protectors for preventing hip fractures in elderly people: systematic review.  BMJ. 2006;  332 571-574
  • 18 Donner-Banzhoff N, Schmidt A, Baum E. et al . Der evidenzbasierte Praktiker.  Z Allg Med. 2003;  79 501-506
  • 19 Donner-Banzhoff N. Zu neuen Ufern: Leitfaden der ärztlichen Fortbildung. Huber Verlag, Bern 2005

Korrespondenzadresse

A. Eberbach

Abteilung für Allgemeinmedizin Präventive und Rehabilitative Medizin

der Phillips-Universität

Robert-Koch-Straße 5

35032 Marburg

Email: eberbach@med.uni-marburg.de