Notfall & Hausarztmedizin 2007; 33(3): 127
DOI: 10.1055/s-2007-977649
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Diabetes mellitus: Prävention, frühe Diagnose und stadiengerechte Therapie rücken in den Mittelpunkt

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Publication Date:
05 April 2007 (online)

Während in der Behandlung des Typ-1-Diabetes mellitus eindeutig belegt und akzeptiert ist, dass im Hinblick auf akute und langfristige Komplikationen des Diabetes zwingend eine normnahe Blutzuckereinstellung mit der Insulintherapie erreicht werden muss, hat sich in der Behandlung des Typ-2-Diabetes mellitus auf Grund der aktuellen Datenlage eindeutig ein Paradigmenwechsel zugunsten einer frühzeitigen Diagnostik und Therapie, sowie Insulinbehandlung ergeben.

Mindestens 8 % der Menschen in Deutschland haben einen Typ-2-Diabetes mellitus. Eine frühzeitige und effektive Behandlung ist von größter gesundheitspolitischer Bedeutung: Sowohl im Hinblick auf die hohe und voraussichtlich mit den nächsten Jahren stetig weiter zunehmende Diabetesprävalenz in Deutschland und weltweit, als auch im Hinblick auf die Erkenntnisse aus zahlreichen Präventions- und Interventionsstudien, ist klar abzuleiten, dass nur bei optimaler Stoffwechselkontrolle eine Reduktion diabetischer makro- und mikrovaskulärer Folgeschäden erreicht werden kann.

Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus, insbesondere das diabetische Fußsyndrom, belasten das Gesundheitssystem schwer: 70 % aller Amputationen werden bei Menschen mit Diabetes durchgeführt und 20 % der Behandlungskosten des Diabetes entfallen auf die Therapie des diabetischen Fußes. Nur durch ein multidisziplinäres Vorgehen in der Prävention, Patientenschulung und Behandlung ist eine Reduktion der Amputationshäufigkeit zu erreichen.

Im Mittelpunkt der Pathogenese des Typ-2-Diabetes mellitus stehen ein Sekretionsdefizit für Insulin und die Insulinresistenz. Bereits vor Manifestation des Vollbildes des Typ-2-Diabetes mellitus steigt das Risiko vor allem für makrovaskuläre Folgeschäden signifikant an. Um die neu festgelegten Ziele der Blutzuckerkontrolle dieser Patientengruppe zu erreichen (Europäischer Zielwert: HbA1c: 6,5 %, Nüchtern-Blutglukose:

< 110 mg/dl), muss das Behandlungskonzept für Typ-2-Diabetes mellitus optimiert werden. Neben kontinuierlichen Schulungsmaßnahmen mit Umstellung der Lebensführung (Ernährungs- und Bewegungsverhalten) ist es sinnvoll, einen Stufenplan für orale Antidiabetika und/oder Insulin zu entwickeln und die Dosierungsstrategien einzelner Substanzgruppen in der Mono- und Kombinationstherapie zu verbessern. Gleichzeitig ist eine normnahe Einstellung von Fettstoffwechselbefunden und Blutdruck notwendig, um das Risiko dieser Patientengruppe wirklich zu mindern. Insgesamt ist ein Paradigmenwechsel in der Therapie des Typ-2-Diabetes mellitus zwingend, der mit den Möglichkeiten rationaler neuer Therapieansätze realisiert werden kann: Es müssen Präventionsmaßnahmen und eine frühe Diagnose implementiert und ein früher Therapiebeginn des Typ-2-Diabetes mellitus angestrebt werden. Unter Berücksichtigung einer optimalen Nutzen-Risiko-Analyse im Hinblick auf mikro- und vor allem makrovaskuläre Komplikationen des Typ-2-Diabetes müssen Behandlungsmaßnahmen früher und aggressiver vorangetrieben werden. Das macht eine frühe Kombination von oralen Antidiabetika, aber auch eine frühe Kombination oraler Antidiabetika mit Insulin erforderlich, und kann schließlich in einem Therapiestufenschema die frühe Umstellung auf eine intensivierte Insulin-Monotherapie bedeuten. Die jeweilige Auswahl der Medikamente muss immer individuelle Gesichtspunkte berücksichtigen, aber im Hinblick auf eine optimale Gestaltung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses eine effektive Stabilisierung der Stoffwechsellage mit einem HbA1c-Zielwert von 6,5 % zwingend anstreben.

Die nachfolgenden Beiträge mögen den Leserinnen und Lesern den hohen Stellenwert und das praktisch-klinische Vorgehen einer rechtzeitigen und optimal gestalteten individuellen Behandlung von Menschen mit Diabetes mellitus nahe bringen und darüber hinaus Behandlungsstrategien im Notfalldienst als auch das optimale Vorgehen bei Menschen mit diabetischem Fußsyndrom vermitteln. Die Ergänzung durch repräsentative CME-Fragen als Lernerfolgskontrolle sollte das Studium der Beiträge abrunden.

Prof. Dr. med. Petra-Maria Schumm-Draeger

München

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