physioscience 2007; 3(4): 193-194
DOI: 10.1055/s-2007-963669
Veranstaltungsbericht

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Symposium der HRK in Köln: „Die Gesundheits- und Pflegewissenschaften und der Bologna-Prozess - ein Studienfeld im Umbruch”

C. Zalpour1
  • 1Fachhochschule Osnabrück
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Publication Date:
20 November 2007 (online)

Am 21. und 22. Juni 2007 fand in Köln im Maternus-Haus das Symposium der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) statt, an dem knapp 100 Experten vorwiegend aus den Bereichen Pflege- und Therapiewissenschaft teilnahmen. Die deutsche Physiotherapie war unter anderem durch Mieke Wasner (M. S.Ed), Europa-FH Fresenius, Bodo Schlag, Vorstandsmitglied des ZVK, Michael Karp und Hubert Döpfer von der Privaten Fachhochschule Döpfer und Prof. Dr. Christoff Zalpour von der FH Osnabrück vertreten.

Bereits zum 2. Mal führte die HRK eine Tagung zum Thema Gesundheitsrelevante Studiengänge und Bologna durch. Im Oktober 2005 hatte mit dem Tagungstitel Medizin und Gesundheitswissenschaften in der Studienreform allerdings die Frage nach der Umstellung der Medizinstudiengänge auf das Bachelor-Master-System im Vordergrund gestanden, wie es z. B. die Schweiz bereits vollzogen hat. Dieses Mal wurden in 3 Workshops die Themen Organisationsmodelle für Bachelor- und Master-Programme, Weiterbildung in den Gesundheits- und Pflegewissenschaften im Zeichen von Bologna und Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen vertieft.

Die durch verschiedene Impulsreferate stimulierten Diskussionen in den Arbeitsgruppen zeigte sicherlich eines: Die Akademisierung ist in den Pflege- und Gesundheitswissenschaften angekommen, aber nicht als Ultima Ratio, sondern als Ausbildungsoption. Naturgemäß und bedingt durch den bereits viel länger vollzogenen Beginn der Akademisierung der Pflege (1. Denomination für Pflegewissenschaft in Deutschland an der FH Osnabrück im Jahr 1991), ist eben diese fundierter etabliert als beispielsweise die Physiotherapie.

Uneinheitliche Hochschullandschaft

Insbesondere im europäischen Vergleich zeigt sich aber auch ein erschreckend heterogenes Bild hinsichtlich der Kostenpflichtigkeit und Dauer entsprechender Studienangebote. Neben Programmen ohne Studiengebühren erheben vor allem private Fachhochschulen Gebühren auf Vollkostenbasis, was zwar den Länderhaushalt entlastet, aber beim Studieninteressierten die Frage aufwerfen muss: Ist das, was viel teurer ist, auch viel besser?

Durch die Akademisierung wurde die bereits zuvor bestehende Diskrepanz zwischen schulgeldfreien und -pflichtigen Berufsfachschulprogrammen (BFS) auf akademischen Level perpetuiert. Auch die Tatsache, dass einige der privaten Anbieter Kooperationsmodelle mit dem Ausland (bevorzugt Niederlande oder Wales) fahren, die die BFS-Ausbildung mit ausländischen akademischen Abschlüssen versieht, kann einerseits als Zeichen der Internationalisierung aufgefasst (durchaus begrüßenswert), muss andererseits aber ebenso kritisch hinterfragt werden: Es ist bekannt, dass sich die Akkreditierungsvoraussetzungen innerhalb Europas unterscheiden. So erkennt z. B. Österreich grundsätzlich die BFS-Ausbildung Physiotherapie als Bachelor-Äquivalent an, was dazu führt, dass deutsche Physiotherapeuten in Österreich (z. B. an der Donau-Universität Krems) gleich den Master-Abschluss anstreben können, ohne zuvor Bachelor-Qualifikationen zu erwerben. Dies ist erstaunlicherweise auch berufsbegleitend mit relativ wenigen Präsenzanteilen vor Ort möglich.

Außerdem gibt es hinsichtlich des Abschlussgrades wichtige Unterschiede: Ein Bachelor of Science (BSc) oder Bachelor of Arts (BA) ist eben etwas anderes als ein Bachelor Physiotherapie, wie er als Professional Bachelor in den Niederlanden üblich ist. Hier sollte die wissenschaftliche Anschlussfähigkeit von Abschlüssen (z. B. zu MSc- bzw. MA-Programmen, aber auch zu Promotionen) bedacht werden.

Der Vorsitzende der Dekankonferenz Pflegewissenschaft e. V., Prof. Dr. Johannes Korporal, fasste dies folgendermaßen zusammen: „Bologna war zwar produktiv, hat aber das Problem, dass die Akademisierung in einem wenig strukturell abgesicherten Raum stattfindet und daher erhebliche Unsicherheiten erzeugt, noch nicht gelöst”. Damit war auch der unzureichende, weil praktisch nicht vorhandene „Mittelbau” der Fachhochschulen angesprochen, aber auch die Parallelausbildungen (Berufsfachschule und Akademisierung) in Pflege und Therapieberufen sowie der relativ unübersichtliche Weiterbildungssektor, der zum Teil in Konkurrenz zu akademischer Weiterqualifikation steht. Hinsichtlich einer politischen Interessenvertretung, die die Bereiche Pflege und nicht ärztliche Therapieberufe mit einschließt, wurde der Impuls zu einer „Bundes-Gesundheitskammer” formuliert, die gegenüber der berufsbezogenen Verkammerung vorzuziehen sei.

Therapiewissenschaften zukünftig an der Universität?

Interessant ist die gegenwärtige Debatte um die Etablierung akademischer Programme anderer gesundheitsrelevanter Disziplinen als der Medizin (also auch der Physiotherapie) rund um die medizinischen Fakultäten und damit an Universitäten, wie es bisher nur an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg der Fall ist. Die Clusterbildung verschiedener akademischer Disziplinen in einer „Gesundheits-Fakultät” bietet viele Chancen, vor allem im interdisziplinären Bereich in Forschung, Lehre und Patientenversorgung, lässt aber die Frage aufkommen, welche Rolle bei einem derartigen Modell denen zukommen soll, die hier über Jahrzehnte wichtige Aufbauarbeit geleistet haben, nämlich den Fachhochschulen?

In der abschließenden, von der Generalsekretärin der HRK, Dr. Christiane Gaethgens, moderierten Podiumsdiskussion wurde sowohl der Ist-Zustand der Akademisierung resümiert als auch ein Ausblick in die Zukunft gewagt. Insbesondere Prof. Dr. Eberhard Göpel von der FH Magdeburg-Stendal und zugleich Vorsitzender des Vereins Hochschule für Gesundheit e. V. betonte hierzu die unzureichende bzw. ungleiche Mittelverteilung zwischen der Medizin einerseits und den Gesundheits- und Pflegewissenschaften andererseits. Auch Dr. Gaethgens warnte abschließend eindringlich davor, ohne ausreichende sächliche, finanzielle und personelle Ausstattung die Akademisierung der Gesundheits- und Pflegewissenschaften auch vor dem Hintergrund des sogenannten Studierendenhochs [1] [2] [3] weiter voranzutreiben.

Literatur

  • 1 Zalpour C. Symposium des Centrum für Hochschulentwicklung vom 12.-13. Februar 2007. Das erwartete Studierendenhoch birgt Chancen für den Ausbau der Akademisierung der Physiotherapie.  physioscience. 2007;  3 93-94
  • 2 Zalpour C. Herausforderung für die Fachhochschulen.  Die neue Hochschule (DNH). 2007;  48 22-24
  • 3 Zalpour C. Hochschulpakt 2020.  pt_Zeitschrift für Physiotherapeuten. 2007;  8 790-793

Prof. Dr. med. Christoff Zalpour, Professor für Physiotherapie

Fachhochschule Osnabrück

Caprivistr. 1

D-49076 Osnabrück

Email: zalpour@wi.fh-osnabrueck.de

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