Zusammenfassung
Grundproblematik und Fragestellung: Im Jahr 1997 hat die »American Diabetes Association« (ADA) neue Kriterien zur Diagnose
des Typ 2 Diabetes mellitus eingeführt. Der Grenzwert für den Nüchternblutzucker wurde
von 140 auf 126 mg/dl gesenkt; ein Wert zwischen 110 und 126 mg/dl gilt seitdem als
gestörte Nüchternglukose. Welche Verschiebungen entstehen dadurch in der Prävalenz
des Diabetes und der anderen Glukosetoleranzstadien für die deutsche Bevölkerung?
Patienten und Methodik: Grundlage für die Auswertung waren die Daten der RIAD-Studie. Dabei wurden 1139 Personen
einer Risikopopulation (Alter 40-70 Jahre) untersucht, die in der Regel Verwandte
von Diabetikern waren und/oder selbst an Adipositas und/oder Dyslipidämie erkrankt
waren. Personen mit bekanntem Diabetes wurden ausgeschlossen. Bei allen Probanden
wurde ein oraler Glukosetoleranztest mit 75 g Glukose durchgeführt und die Plasmaglukose
zur Einteilung in die verschiedenen Glukosetoleranzstadien verwendet.
Ergebnisse: Nach den neuen ADA-Kriterien, die 1998 von der WHO bestätigt wurden, verschiebt sich
die Prävalenz des Diabetes mellitus von 11 % auf 15,1 %, die einer gestörten Glukosetoleranz
von 28,8 % auf 26,2 %. Bei 27,1 % der Teilnehmer lag eine gestörte Nüchternglukose
vor, davon hatten allerdings 9,2 % 2-Stunden-Plasmaglukosewerte, die den Diabeteskriterien
entsprechen. Männer hatten in der 1. Altersdekade mehr als doppelt so häufig einen
unentdeckten Typ 2 Diabetes (14 %) als Frauen. Hyperlipidämie, Hypertonie und Adipositas
waren bei Diabetikern und Probanden mit gestörter Glukosetoleranz signifikant höher
als bei normoglykämischen Personen.
Folgerungen: Die Prävalenz eines unbekannten Typ 2 Diabetes ist in dieser Risikopopulation sehr
hoch. Bei alleiniger Anwendung der neuen Kriterien für eine gestörte Nüchternglukose
würden 9,2 % Diabetiker unerkannt bleiben. Wir unterstützen daher die Empfehlung,
in der Bevölkerung ab dem 45. Lebensjahr sowie bei jüngeren Risikopersonen einen oralen
Glukosetoleranztest durchzuführen, um im Behandlungsfall so früh wie möglich intervenieren
zu können. Für die Normalbevölkerung unter 45 Jahren ohne besonderes Risiko sollte
die Bestimmung der Nüchternglukose ausreichen.
Abstract
Background and objective: In 1997 the American Diabetes Association (ADA) introduced new criteria for the diagnosis
of type 2 diabetes mellitus, reducing the upper limit of normal fasting blood sugar
from 140 to 126 mg/dl. A level of between 110 and 126 < mg/dl (6.1-7.0 mmol/l) was
added as a new category, »impaired fasting glucose« (IFG) as an at-risk factor. It
was the aim of this study to determine what effect these new criteria will have on
the prevalence of type 2 diabetes and other glucose tolerance stages in the German
population.
Patients and methods: The analysis was based on data collected in the »Risk-factors in IGT for atherosclerosis
and diabetes« (RIAD) study. 1139 persons of an at-risk population group (aged 40-70
years) were investigated. Most of them were relatives of diabetics and/or themselves
had obesity and/or dyslipidaemia. All known diabetics were excluded. All subjects
underwent an oral glucose test with 75 g glucose, and plasma glucose values were used
for classifying them into different glucose tolerance stages.
Results: According to the new ADA criteria, confirmed by WHO in 1998, the prevalence of type
2 diabetes mellitus was shifted from 11 % to 15.1 %, that of IGT from 28.8 % to 26.2 %.
An impaired fasting glucose was found in 27.1 % of the population cohort, 9.2 % of
whom had 2-hour plasma glucose levels corresponding to the diabetes criteria. Men
in the first age decade (40-49 years) had a 14 % prevalence of previously undetected
type 2 diabetes, double that in women. Hyperlipidaemia, hypertension and obesity were
significantly more common in diabetics and persons with IGT than in normoglycaemic
persons.
Conclusions: The prevalence of previously unknown type 2 diabetes is very high in this at-risk
part of the population. Using the criteria for impaired fasting glucose, 9.2 % diabetics
would remain undetected. We, therefore, support the recommendation that an oral glucose
tolerance test be performed in those of the population aged over 45 years and in younger
at-risk persons so that any indicated treatment can be initiated at the earliest.
Measurement of fasting glucose is adequate in the population aged under 45 years not
at special risk.