Zusammenfassung
In der vorliegenden Übersichtsarbeit werden eine Reihe von Untersuchungen bei Patienten
mit umschriebenen Kleinhirnerkrankungen und, mittels funktioneller bildgebender Verfahren,
Untersuchungen bei Gesunden vorgestellt, die zeigen, dass das menschliche Kleinhirn
an verschiedenen einfachen und komplexen motorischen Lernvorgängen beteiligt ist.
Beispielhaft für einen assoziativen Lernvorgang wurde die klassische Konditionierung
des Flexorreflexes und für einen nicht-assoziativen Lernvorgang das Erlernen sequentieller
Fingerbewegungen bei Gesunden mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) untersucht.
Die PET Untersuchungen zeigen, dass unterschiedliche Anteile des Kleinhirn an der
Konditionierung des Flexorreflexes und beim Erlernen einer Sequenz von Fingerbewegungen
beteiligt sind und sprechen für eine funktionelle Kompartimentierung dieser Struktur
für verschiedene einfache motorische Lernvorgänge.
Bei Patienten mit Kleinhirnerkrankungen wurde als Beispiel eines einfachen motorischen
Lernvorganges die Adaptation von Haltereflexen an verschiedene Umweltbedingungen untersucht
und als Beispiel eines komplexen motorischen Lernvorganges eine visuomotorische Lernaufgabe.
Der Vergleich von Patienten mitzerebellären Erkrankungen mit gesunden Probanden legt
in beiden Paradigmen nahe, dass der geringere Lernerfolg bei Patienten mit umschriebenen
Kleinhirnerkrankungen wesentlich auf die zerebellär gestörte Bewegungsausführung (Ataxie)
zurückzuführen ist. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen unterstützen die
Hypothese, dass eine wesentliche Aufgabe des Kleinhirns bei verschiedenen motorischen
Lernvorgängen beim Menschen die Kontrolle der Bewegungsausführung ist. Sie schließen
jedoch nicht aus, dass dem Kleinhirn (auch) eine Rolle als Speicherplatz von während
des Lernens auftretenden plastischen Veränderungen zukommt.
Summary
Results of recent studies using positron emission tomography (PET) are presented demonstrating
the involvement of the human cerebellum in simple and complex motor learning tasks
in cerebellar patients and in healthy subjects. Classical conditioning of the limb
flexion reflex (associative learning) and learning of sequences of single finger movements
(non-associative learning) were studied in healthy subjects using PET. Different parts
of the cerebellum were involved in the associative and non-associative learning paradigm
suggesting functional compartmentalization of the human cerebellum for simple motor
learning tasks.
Adaptation of postural responses to changing task conditions and a complex visuomotor
learning task were investigated in a group of patients with cerebellar disease. Despite
of their postural dysmetria, patients with cerebellar disease were able to adapt their
postural synergies to changing task conditions and, to improve their performance of
the complex visuomotor task despite upper limb ataxia. These findings support the
view that the role of the cerebellum in motor learning might be restricted to motor
performance and need not be linked to the establishment of critical engrams assumed
to be stored within this structure.