Zusammenfassung
Die akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) ist eine seltene Form aus der Gruppe
der erworbenen demyelinisierenden Erkrankungen des Zentralnervensystems. Hierunter
fallen die postinfektiöse und Post-Vakzinierungsenzephalomyelitis. Trotz der Vielzahl
von Einzelfallberichten gibt es nur wenige Studien, die vor allem in der Initialphase
Sicherheit bezüglich Diagnose und Prognose geben. Diese Übersicht faßt die zur Zeit
vorliegenden Erkenntnisse zur Symptomatik, Pathogenese, Diagnostik und Therapie der
ADEM und ihre Abgrenzung zur häufigeren multiple Sklerose (MS), bzw. ihrer Varianten
zusammen.
Der akuten Symptomatik geht in der Regel ein unspezifischer Infekt bzw. Kontakt mit
infektiösem Material oder Fremdeiweißen voraus. Zu diesem Zeitpunkt finden sich neben
ausgeprägten klinischen Zeichen, disseminierte, hyperintense und kontrastaufnehmende
Signale in der Kernspintomographie (MRT). Eine Therapie mit hochdosiertem Methylprednisolon,
alternativ Cyclophosphamid, Plasmapherese oder Immunglobulinen ist in den meisten
Fällen erfolgreich. Kinder und Jugendliche sind bei ähnlicher Geschlechtsverteilung
häufiger betroffen. Spezifische T-Zell-Antworten gegen z.T. unreife Myelinbestandteile
sprechen für eine infektiöse Induktion einer Autoimmunantwort auf der Basis genetischer
Prädisposition. Zusammen mit anderen angeborenen oder erworbenen Krankheiten der weißen
Substanz bilden bei Erwachsenen die malignen MS-Formen, bei Kindern die viralen Enzephalitiden
die wesentlichen Differentialdiagnosen. In Anbetracht prophylaktischer Behandlungserfolge
der schubförmigen MS mit Betainterferonen und anderen immunmodulatorischen Substanzen
gewinnt eine frühe differentialdiagnostische Abgrenzung der zumeist monophasisch verlaufenden
ADEM zur MS eine neue Bedeutung.
Summary
Acute disseminated encephalomyelitis (ADEM) is a rare form of acquired demyelinating
disorders of the central nervous system. Subforms are post-infectious and post-vaccinal
encephalomyelitis. Despite the amount of case reports only few address diagnosis and
prognosis. This review summarizes current knowledge on symptoms, signs, pathogenesis,
diagnosis and therapy of ADEM and its distinguishing characteristics differentiating
it from the more common multiple sclerosis (MS) including variants.
In ADEM an unspecific infection or contact to allogenic protein weeks prior to the
acute symptoms is followed by disseminated hyperintense and contrast-enhanced lesions
on MRI. Therapy with high-dose methylprednisolon, cyclophosphamide, plasmaphereses
or immunoglobulins, alternatively, are mostly successful. Young adults and children
of both genders are more often affected than adults. Specific T-cell responses to
immature myelin proteins support an infectious induction of ADEM based on genetic
predisposition. Differential diagnosis includes inborn and acquired leukodystrophias
in adults and viral encephalitis in children. Recent advances in prophylactic therapy
of relapsing MS with beta-interferons amplifies the importance of accurate differentiation
between ADEM and MS.