Zusammenfassung
Gemäß Gebrauchsinformation kann Methylphenidat die Krampfbereitschaft erhöhen. Mit
der zunehmenden Zahl der mit dieser Substanz behandelbaren Kinder und Erwachsenen
mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung wird immer öfter die Entscheidung
nötig, ob bei gleichzeitigem Vorliegen von Epilepsie und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
die Anwendung von Methylphenidat vertretbar ist oder nicht. In der vorliegenden Übersicht
werden Studien und Fallberichte gesichtet, die sich mit der Gabe von Methylphenidat
bei Patienten mit epileptischen Anfällen befassen. Fazit ist, dass bei unter Antikonvulsiva
anfallsfreien Epileptikern die zusätzliche Verordnung von Methylphenidat nicht zum
erneuten Auftreten von Anfällen führte. Bei nicht anfallsfreien Kranken wurde eine
leichte Erhöhung der Anfallsfrequenz in einer einzigen Arbeit bei wenigen Patienten
gesehen, bei allen anderen Autoren fand sich keine Verschlechterung des Anfallsleidens,
ganz im Gegensatz bei Patienten mit kindlicher Absencen-Epilepsie und juveniler myoklonischer
Epilepsie teilweise sogar eine deutliche Verbesserung des Anfallsleidens, wie dies
schon vor Jahrzehnten bei Gabe anderer Stimulanzien - d-Amphetamin und Benzedrin -
berichtet wurde. Diese positive Wirkung der Stimulanzien bei bestimmten Anfallsformen
ist besonders bemerkenswert unter dem Aspekt, dass erhebliche psychopathologische
Ähnlichkeiten zwischen Patienten mit juveniler myoklonischer Epilepsie und solchen
mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bestehen. Der Einsatz von Methylphenidat
wäre demnach bei diesem Personenkreis nicht nur vertretbar, sondern sogar indiziert,
wenn begleitende Symptome der Aufmerksamkeitsstörung und/oder Hyperaktivität vorliegen.
Bei allen übrigen gut eingestellten Anfallskranken stellt die Gabe von Methylphenidat
nach den Daten der Literatur kein Risiko dar, bei nicht anfallsfreien Patienten kann
möglicherweise im Einzelfall eine leichte Zunahme der Anfallsfrequenz auftreten.
Summary
The instructions for use of methylphenidate point to a possibly increasing tendency
to epileptic seizures. Hence, it is increasingly mandatory to decide whether or not
methylphenidate should be administered in patients of concomitant epilepsy and attention
deficit/hyperactivity disorder, since an increasing number of children and adults
can be treated with methylphenidate for attention deficit/hyperactivity disorder.
This review considers studies and case reports concerned with the administration of
methylphenidate to patients with epileptic seizures. It is a fact that there was no
recurrence of seizures in patients who had been free from seizures under anticonvulsive
treatment, if methylphenidate was additionally applied. In patients who were not free
from seizures, a single study with few patients reported a slight increase in the
incidence of seizures whereas in all other studies there was no deterioration of the
disease. In striking contrast to this, some patients with childhood absence epilepsy
and juvenile myoclonic epilepsy experienced a clear improvement in the incidence of
seizures. This phenomenon had already been reported decades ago with the administration
of other stimulants such as d-amphetamine and benzedrine. This positive effect of
stimulants in patients with some seizure types is particularly remarkable because
there are considerable psychopathological similarities between patients with juvenile
myoclonic epilepsy and those with attention deficit/hyperactivity disorder. Hence,
the administration of methylphenidate to such patients is not only be possible but
even justified in case of concomitant symptoms of attention disorders and/or hyperactivity.
In all other seizure patients who are well adjusted to their medication, no risk is
involved with the administration of methylphenidate, as the available evidence from
literature shows, whereas in patients who are not free from seizures it may be possible
that there is a slight increase in seizure incidence.