Abstract
Common hypotheses may dominate medical opinion: tardive dyskinesia is semi-officially
defined as an iatrogenic extrapyramidal disorder caused by long-term administration
of antipsychotic drugs. Its prevalence is still increasing, reaching an average of
30% in recent studies. However, the development of these abnormal involuntary movements
may be related to neurologic processes inherent in the treated disease and high prevalence
figures may be the result of artificial calculations and extremely sensitive criteria.
This hypothesis that tardive dyskinesia may be in some part idiopathic is supported
by historical descriptions of dyskinesia in schizophrenic patients long before neuroleptics
became available and has also emerged in several recent studies, despite concurrent
treatment of the patients with neuroleptics. The available data indicate that "mental
disease" is by far the most important risk factor for dyskinesia, followed by age,
female sex and, ultimately, antipsychotic treatment. Not surprisingly, the disorder
often does not respond to neuroleptic withdrawal and may improve slowly despite ongoing
treatment to prevent psychotic relapse. In the absence of a generally applicable therapy
for the disease processes leading to dyskinesia, the factors that can be controlled
(overestimated need for antipsychotics, routine association with anticholinergics,
suboptimal psychosocial support) must remain the basis of prevention of "tardive"
dyskinesia.
Zusammenfassung
Semioffiziell handelt es sich bei den Spätdyskinesien nach gängiger Definition um
iatrogene extrapyramidale Hyperkinesen, die nach längerer Anwendung neuroleptischer
Medikamente auftreten und deren Häufigkeit nach neueren Studien weiter zunimmt, im
Mittel sogar bis zu 30% beträgt. Die Ausbildung von Bewegungsstörungen, bzw. abnormer
unwillkürlicher Bewegungen, kann jedoch auch mit neurologischen Vorgängen zusammenhängen,
die durch die mit den Neuroleptika behandelte Erkrankung verursacht werden, und die
hohen Häufigkeitsziffern könnten das Ergebnis nicht-praxisbezogener Berechnungen und/oder
außerordentlich empfindlicher Kriterien sein. Die idiopathisch bedingte Auslösung
wird gestützt durch die historisch verbürgten Berichte von Dyskinesien bei Schizophrenen
lange vor der Einführung der Neuroleptika und ergibt sich auch aus mehreren neueren
Studien trotz der gleichzeitigen Neuroleptikabehandlung der Patienten. Die vorliegenden
Daten weisen auf "Psychiatrische Erkrankung" als weitaus bedeutendsten Risikofaktor
für die Ausbildung einer Dyskinesie hin, gefolgt von Alter, weiblichem Geschlecht
und schließlich antipsychotischer Behandlung. In diesem Zusammenhang überrascht es
durchaus nicht, daß die Bewegungsstörungen auch bei Entzug des Neuroleptikums nicht
aufhören und trotz fortgesetzter Behandlung zur Vermeidung psychotischer Rückfalle
allmählich abklingen. In Ermangelung einer allgemein anwendbaren Therapie der Erkrankungen,
die zu einer Dyskinesie führen, sind die kontrollierbaren Faktoren entscheidend für
die Entwicklung (und damit auch die Verhütung) einer Spätdyskinesie, nämlich: Überschätzung
des Bedarfs an Neuroleptika, routinemäßige gleichzeitige Verabreichung von Anticholinergika,
mangelhafte psychosoziale unterstützende Maßnahmen.