Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P480
DOI: 10.1055/s-2006-953305

Grenzen der EMG-Diagnostik bei lumbalen radikulären Läsionen

M. Kottlors 1, F.X. Glocker 1
  • 1Bad Bellingen, Freiburg

Einleitung: Das lumbale Wurzelkompressionssyndrom stellt eines der häufigsten Nervenkompressionssyndrome dar. Die hohe Prävalenz asymptomatischer lumbaler Bandscheibenvorfälle erfordert neben der Bildgebung die oft weiterführende Diagnostik mittels EMG zur differentialdiagnostischen Eingrenzung und Höhenlokalisation.

Methoden: 30 Patienten mit klinisch und bildgebend monosegmentalen radikulären lumbalen Läsionen wurden elektromyographisch systematisch untersucht. Paraspinal wurde versucht die Höhe der radikulären/axonalen Läsion einzugrenzen; auch die Gegenseite zur Läsion wurde paraspinal untersucht. Die L5- und die S1- Muskulatur wurde durch elektromyographische Untersuchung des M. gastrocnemius medialis et lateralis, plantaris, tibialis anterior, peroneus longus, gluteus medius et maximus erfasst. Die Neurographie beinhaltete die Messung des N. suralis und N. peroneus und den H-Reflex des N. tibialis. Der elektromyographische Befund wurde mit der Nativ- und Schnittbildgebung (in einigen Fällen der Myelographie) verglichen.

Ergebnisse: Paraspinal fanden sich axonale Schädigungszeichen in einem Drittel der Patienten bis zu drei Wirbelkörperhöhen oberhalb der monosegmentalen Läsion auf der betroffenen Seite. Auf gleicher Höhe fanden sich bei 20% der Patienten auch auf der Gegenseite paraspinal axonale Schädigungszeichen. Im M. gastrocnemius(im Caput mediale und/oder laterale) und im M. plantaris fanden sich bei reiner Wurzelläsion L5 (H-Reflex unauffällig, ASR seitengleich) bei 3 Patienten ebenfalls elektromyographisch axonale Schädigungszeichen. In einem weiteren Fall konnte ein extraspinaler Bandscheibenvorfall LWK 4/5 mit axonaler Schädigung der L5 Muskulatur nur in Verbindung mit der Nativbildgebung durch eine Segmentationsstörung erklärt werden.

Schlussfolgerung: Die paraspinale elektromyographische Untersuchung eignet sich nicht zur Höhenlokalisation lumbaler Bandscheibenvorfälle. Die Beurteilung radikulärer Syndrome mittels der Elektromyographie und Schnittbildgebung kann nur suffizient in Verbindung mit der Nativbildgebung zur Erkennung von Segmentationsstörungen und damit Varianten der segmentalen Versorgung und von Listhesen erfolgen. Insgesamt sollten Elektromyographie und Bildgebung in der Primärdiagnostik lumbaler Bandscheibenvorfälle nicht als konkurrierende, sondern als sich ergänzende Verfahren angesehen werden.