Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P307
DOI: 10.1055/s-2006-953133

Corpus-Callosum-Fläche und kognitives Leistungsniveau bei Multipler Sklerose

A. Lombe 1, H. Shanib 1, M. Kempa 1, L. Habel 1, M. Haupts 1, P. Calabrese 1
  • 1Bochum

Hintergrund: Das Corpus Callosum (CC) bildet den größten interhemisphärischen Faserzug. Verhaltensneurologisch ist insbesondere der Integrationsaspekt innerhalb funktionskomplementärer, homolog angelegter neuronale Netzwerke zu nennen. Es ist bekannt, dass es im Rahmen einer multiplen Sklerose (MS) zu teilweise erheblichen Atrophien der CC Fläche kommt. Ziel der vorliegenden Studie ist die Darstellung des Zusammenhangs zwischen callosaler Weite und kognitiver Leistung.

Patienten und Methoden: Untersucht wurden bisher 31 Patienten. Die Balkenfläche wurde anhand mittsagittaler MRT Sequenzen bestimmt. Es wurden darüberhinaus neuropsychologische Einzeltests zur Erfassung von allgemeiner Intelligenz, Gedächtnisleistung, Reaktionsgeschwindigkeit sowie ein MS-spezifisches kognitives Screeningverfahren (MUSIC), welches verschiedene MS sensitive kognitive Bereiche (mit Schwerpunkt auf Arbeitsgedäctnis und mentaler Flexibilität) abbildet, angewendet. Anhand von Pearson Korrelationen wurden Zusammenhänge zwischen mittsagittaler CC-Fläche und neuropsychologischen Parametern berechnet.

Resultate: Insgesamt wurden bisher 31 Datensätze ausgewertet (6 m/25w). Das durchschnittliche Alter der Patienten betrug 38 Jahre (SD 11). Die durchschnittliche Krankheitsdauer betrug 34 Monate (SD 39). 81% d. Patienten (n=26) hatten einen schubförmigen Verlauf. Die durchschnittliche CC Fläche betrug 5,08cm2 (SD 1,52cm2). Erste Auswertungen ergaben gute, signifikante Korrelationen (r0.37– r0.52) für die Reaktionsgeschwindigkeit, das Gedächtnis und dem MS spezifischen, kognitiven Screening (MUSIC). Hingegen wiesen globale Maße wie das allgemeine Intelligenzniveau und das Kurzzeitgedächtnis keine signifikanten Zusammenhänge aus.

Schlussfolgerungen: Während die callosale Flächenvariation keinen korrelativ darstellbaren Zusammenhang auf das allgemeine intellektuelle Leistungsniveau ausübt, waren die Korrelationen zwischen der mittsagittalen CC Fläche und spezifischen kognitiven Bereichen, wie sie bei einem auf das kognitive Kerndefizit der MS fokussierten, kognitiven Screening-Instrument (MUSIC) erfasst werden, am deutlichsten. Diese Befunde legen die Hypothese nahe, dass Arbeitsgedächtnis und flexibilitäts-intensive kognitive Operationen einen bilateralen Verarbeitungsmodus erfordern und dementsprechend einen intensiven interhemisphärischen Informationsaustausch voraussetzen.

(Mit Förderung durch Schering Deutschland GMBH)