Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P291
DOI: 10.1055/s-2006-953117

Psychosyndrom bei Patienten mit Guillain-Barré Syndrom durch Autoantikörper gegen serotonerge oder noradrenerge Neurone?

A. Goertzen 1, C. Rink 1, R. Lommel 1, R.W. Veh 1
  • 1Oberhausen, Berlin

Das Guillain-Barré Syndrom (GBS) ist eine autoimmun bedingte, entzündliche Erkrankung des peripheren Nervensystems mit aufsteigenden Lähmungen, Areflexie und milden sensiblen Symptomen. Viele Patienten entwickeln aber zusätzlich ein Psychosyndrom mit Desorientiert-heit, mnestisch-kognitiven Einbußen und auch Wahrnehmungsstörungen. Die Ursachen dieses Psychosyndroms müssen im ZNS liegen, sie sind bislang aber nicht verstanden. Dass in Seren von GBS-Patienten Antikörper gegen Antigene im ZNS (Astrozyten) vorkommen können, ist bereits bekannt (Görtzen et al, 2004, Autoimmunity 37:521–28).

Bei der Vielfältigkeit der Symptomkonstellation kommt eine Störung von spezifischen, sensorischen oder motorischen Kerngruppen als Ursache eines Psychosyndroms nicht in Frage. Eine Störung genereller Mechanismen wie zum Beispiel die Dysfunktion großer monaminerger Systeme des ZNS lässt eher ein so komplexes Krankheitsbild erwarten. Daher untersuchen wir seit einiger Zeit, ob Seren von Patienten mit GBS Syndrom möglicherweise Autoantikörper gegen monaminerge Neurone enthalten. Autoantikörper gegen cholinerge Nervenzellen, auch Neurone im Nukleus basalis Meynert, konnten wir bereits nachweisen (Görtzen et al, 2005, Akt Neurologie 32, Suppl.4:S258). Im Zentrum der vorliegenden Untersuchung stehen jetzt das serotonerge und das noradrenerge System.

Dazu wurden Schnitte aus verschiedenen Bereichen des Rattengehirns mit 52 Seren von Patienten mit GBS, 48 mit Multipler Sklerose und 46 Seren von gesunden Kontrollpersonen oder Patienten ohne Autoimmunerkrankung inkubiert. Um Reaktionen der “natural autoantibodies“ auszufiltern, wurden die Seren in hoher Verdünnung (1:5000) eingesetzt. Autoimmunreaktivität wurde mit fluoreszenz-markiertem Streptavidin oder der ABC-Technik visualisiert.

Neben bekannten Reaktionen fanden sich in 12 GBS-Seren, aber nur in einer Kontrolle, positive Neurone in den serotonergen (Raphe-Gruppe) und noradrenergen (Locus coeruleus) Kerngebieten. Die Doppelimmunfluoreszenz mit Anti-Serotonin- oder Anti-Dopamin-ß-hydroxylase-Antikörpern zeigte dann, dass es sich bei den autoimmun-positiven Zellen tatsächlich um serotonerge oder noradrenerge Neurone handelt.

Störungen von Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Vigilanz, Antrieb und Emotionslage sind bei Dysfunktionen dieser Systeme bekannt. Eine eventuelle autoimmun bedingte Schädigung serotonerger oder noradrenerger Neurone könnte also an der Entstehung des Psychosyndroms von GBS-Patienten ursächlich beteiligt sein.