Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P241
DOI: 10.1055/s-2006-953066

Therapieresistenter Gesichtsschmerz durch ein Hirnstammcavernom

J.P. Stellmann 1, M. Jlussi 1, S. Schwenkenbecher 1, R.F. Töpper 1
  • 1Hamburg

Die Prävalenz von Schmerzen und Dysästhesien im orofazialen Bereich wird auf bis zu 25% geschätzt, wovon wiederum etwa 17% der Betroffenen eine Beeinträchtigung im Alltag erleiden. Differentialdiagnostisch kommen neben Somatisierungsstörungen verschiedene idiopathische und symptomatische Schmerzsyndrome in Betracht. So genannte idiopathische Neuralgien des N. trigeminus sind in operativen Studien zu fast 100% mit Gefäß-Nerven-Kontakten vergesellschaftet. Bei den symptomatischen Formen werden neben der Multiplen-Sklerose vor allem infratentorielle Tumoren sowie postherpatische Syndrome beschrieben. Zu vaskulären Malformationen als Ursache finden sich bis dato nur Einzelfallberichte.

Wir präsentieren den Fall einer 55-jährigen Frau, die uns zur weiteren Diagnostik eines chronischen Gesichtsschmerzes mit Ptosis links aus dem ambulanten Bereich zugewiesen wurde. Sie berichtete, 10 Jahre lang an einem neuropathischen Dauerschmerz supraorbital gelitten zu haben. Dieser sei mehrmals neurologisch und kernspintomographisch abgeklärt worden und unter verschiedenen Verdachtsdiagnosen (u.a. Trigeminusneuralgie, Migräne und Clusterkopfschmerz) behandelt worden, blieb letztlich aber therapieresistent. 4 Jahre zuvor sei zudem eine leichte Ptosis links aufgetreten. Die Patientin strebte nun eine erneute Abklärung an, da der Schmerz 3 Wochen vor der stationären Aufnahme abrupt verschwunden sei. Zurückgeblieben war lediglich eine leichte Dysästhesie im Bereich des linken N. trigeminus. Der psychopathologische Befund war untypisch für eine chronische Schmerzpatientin, die Stimmungslage war gehoben bis hypomanisch. Wir gingen zunächst von einer somatoformen Genese aus, bemerkten jedoch bei erneuter Durchsicht der Schnittbilddiagnostik eine über Jahre konstante, meist nur in einer Schicht präsente, circa 2mm große Signalalteration im kaudalen Anteil des N. trigeminus-Kerngebietes links. Mittels erneutem MRT wiesen wir ein subakut eingeblutetes Cavernom nach, welches als Ursache für die N.-ophtalmicus-Neuralgie und nun für die Hypästhesie anzunehmen ist. Da neurochirugisch eine Operation als zu risikoreich eingestuft wurde, blieb die Patientin unter der Auflage regelmäßiger Kontrollen ohne kausale Behandlung. Circa 2 Monate nach der Einblutung entwickelte die Patientin ein erneutes massives Schmerzsyndrom, das jedoch analgetisch gut beherrschbar war. Unter Reduktion der Medikation blieb die Patientin bis zu einem Verlaufsgespräch nach etwa 6 Monaten beschwerdefrei.