Aktuelle Neurologie 2006; 33 - V109
DOI: 10.1055/s-2006-953006

Robert Schumanns Hand – war es wirklich eine fokale Dystonie?

G. Reichel 1, G. Nauhaus 1
  • 1Zwickau

Am 29.07.2006 jährt sich zum 150. Mal der Todestag von Robert Schumann (Abb. 2). Trotz zahlreicher Versuche, die Störung der rechten Hand – die zum Ende seiner Pianistenkarriere führte – neurologisch einzuordnen, gibt es bis heute Interpretationsschwierigkeiten. Die Entscheidung Schumanns zum Musikerberuf fiel im 20. Lebensjahr. Bereits 2 Jahre später setzte eine „Fingerlähmung“ dieser Karriere ein Ende. Er versuchte, die störenden 2. und 3. Finger der rechten Hand mittels einer von ihm selbst als „Cigarrenmechanik“ bezeichneten Vorrichtung von den Tasten fern zu halten. Am 15.3.1839 schrieb er in einem Brief: Das Übel der Hand ist nichts, als dass einige Finger ... ganz schwach geworden, so dass ich sie kaum gebrauchen kann.“ In einem späteren Gutachten von 1841 (Dr. Reuter) ist die Rede von einer „Maschine, mittels welcher die zwei Finger nach dem Handrücken stark angezogen gehalten wurden. ... dass Herr Dr. Schumann beim Pianospielen den Mittelfinger gar nicht, den Zeigefinger nur unvollkommen gebrauchen kann, einen Gegenstand aber mit der Hand zu fassen und fest zu halten gänzlich außer Stande ist.“ Dieser Befund wurde 1841 vom Stadtbezirksarzt Dr. Güntz bestätigt. In einem Gutachten des Dr. Brachmann vom 16.3.1842 (Abb. 1) wird von einer „Lähmung des Zeige- und Mittelfingers der rechten Hand“ geschrieben.

Man kann folgende Fakten zusammen fassen: 1. Die primäre Manifestation des Handleiden im 22. Lebensjahr lässt an eine aktionsinduzierte fokale Dystonie, ausgelöst durch das intensive Üben des Klavierspiels des ehrgeizigen Schumann, im Sinne einer Fingerbeugedystonie denken. 2. Es handelt sich bei dem im 30. Lebensjahr beschriebenen Zustand nicht um eine aktionsinduzierte fokale Dystonie, da die Handschwäche auch beim Halten von beliebigen Gegenständen auftrat und die Finger in Streckstellung versteift waren. 3. Die „beste“ Erklärung für die Handstörung erscheint uns folgende: Schumann entwickelte um 1830 eine aktionsinduzierte Handdystonie. Er versuchte vergeblich durch mechanische Maßnahmen, die geeignet waren, seine Fingergelenke zu zerstören und zu versteifen, die Pianistenlaufbahn fortzusetzen. Der dann 1841 erhobene Befund ist somit eine Folge der Gelenk-/Sehnenveränderungen, nicht aber der fokalen Dystonie.

Für die Nachwelt war es eine vielleicht eine glückliche Fügung, dass die Pianistenkarriere Schumanns beendet wurde und er ab 1833 die kompositorische Tätigkeit intensivierte.

Abb. 1: Gutachten von 1842

Abb. 2: Robert Schumann