Aktuelle Neurologie 2006; 33 - M46
DOI: 10.1055/s-2006-952978

Fehlinterpretation von fokaler Epilepsie kombiniert mit zerebellärer Funktionsstörung

A. Weinbrenner 1, R. Besser 1
  • 1Krefeld

Eine 27-jährige Patientin mit anamnestischen Angaben von Fieberkrämpfen in der Kindheit und vorübergehender Behandlung mit Phenobarbital entwickelte bei einem Hydrocephalus internus im MRT rezidivierende generalisiert tonisch-klonische Anfälle und einen links anterotemporalen Sharp and Slow Waves Fokus. Im Labor fand sich eine Erniedrigung des Magnesium- und Kalziumspiegels. Eine seit Jahren durchgeführte selbständige orale Magnesiumsubstitution wegen eines nicht näher bekannten Magnesiummangel-Syndroms wurde mit 6,6 mmol/d fortgesetzt. Während der antikonvulsiven Therapie unter verschiedenen Medikamenten kam es zu erheblichen zerebellären Symptomen und Anfallsrezidiven. Es entwickelte sich schließlich ein paroxysmales Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom mit diffuser Kleinhirnschwellung im MRT. Nachdem ein primäres Hypomagnesiämie Syndrom mit sekundärer Hypokalzämie als Grund der Magnesiumsubstitution bei der Patientin bekannt und molekulargenetisch gesichert wurde, erfolgte die intravenöse Gabe von 82,5 mmol/d Magnesium, worunter die epileptischen Anfälle sistierten, die zerebelläre Symptomatik bis auf eine leichte Dysarthrie rückläufig war und sich die Magnesium- und Kalziumspiegel normalisierten.

Die verzögerte Diagnosestellung und die daraus resultierende vorübergehende erhebliche Verschlechterung ergab sich aus den mangelnden anamnestischen Angaben, Unkenntnis des Krankheitsbildes in der Erwachsenenneurologie mit der Dynamik einer zunehmenden intestinalen Resorptionsstörung bei zunehmendem Lebensalter, Fehlinterpretation von EEG und MRT und unzureichender Bewertung der Laborwerte.