Hintergrund: Das hereditäre nicht-polypöse kolorektale Karzinom (HNPCC) ist durch das frühzeitige,
familiär gehäufte Auftreten von Karzinomen des Kolons, Rektums, Endometriums, Ovars,
Dünndarms und Urothels gekennzeichnet. Keimbahnmutationen der DNA-Mismatch-Reparatur-Gene
MLH1 und MSH2 sind bei der Mehrzahl der Patienten mit HNPCC nachweisbar und bedingen
den in Tumoren auftretenden Mutatorphänotyp (Mikrosatelitteninstabilität, MSI). Ziel
der Arbeit war es anhand eines molekulargenetisch charakterisierten Kollektives von
Familien mit HNPCC die Inzidenz von Malignomen außerhalb des HNPCC-Tumorspektrums
zu untersuchen.
Methodik: Im Zeitraum von Januar 1998 bis Dezember 2005 wurden Familien mit HNPCC mittels einem
standardisiertem Fragebogen nach dem Auftreten von Tumorerkrankungen innerhalb der
Familie befragt. Es wurden nur Familien mit Mutationsnachweis oder mit positiven Amsterdamkriterien
und MSI-Nachweis berücksichtigt. Verfügbares Paraffinmaterial von Tumoren außerhalb
des HNPCC-Spektrums wurden auf MSI mittels PCR (BAT25, BAT26, D2S123, D5S346 und D17S250)
analysiert. Die Expression der Proteine hMLH1 und hMSH2 wurde immunhistochemisch untersucht.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 26 Familien mit insgesamt 112 potentiellen Anlageträgern erfasst.
Bei 8 Familien war eine MLH1- und bei 11 Familien eine MSH2-Keimbahnmutation nachweisbar.
HNPCC-assoziierte Tumoren traten wie folgt auf: kolorektales Karzinom, n=90; Endometriumkarzinom,
n=19; Magenkarzinom, n=8; Dünndarmkarzinom, n=5 und Urothelkarzinom, n=5. Zusätzlich
traten die folgenden Tumoren außerhalb des HNPCC-Tumorspektrums auf: Mammakarzinom,
n=7; Prostatakarzinom, n=3; Hirntumore, n=3; malignes fibröses Histiozytom/Leiomyosarkom,
n=3; Pankreaskarzinom, n=2. Drei Tumoren (malignes fibröses Histiozytom, n=2; Pankreaskarzinom,
n=1) zeigten eine MSI mit Expressionsverlust von MLH1 oder MSH2.
Schlussfolgerungen: Malignome des Kolons, Rektums, Endometriums, Dünndarms und Urothels sind die häufigsten
Tumoren, die bei Patienten mit molekurgenetisch-definiertem HNPCC auftreten. Seltene
Malignome, z.B. ein malignes fibröses Histiozytom, früher als Leiomyosarkom klassifiziert,
können jedoch ebenfalls bei Patienten mit HNPCC durch den zugrunde liegenden DNA-Reparatur-Defekt
auftreten.