Aktuelle Urol 2006; 37 - V112
DOI: 10.1055/s-2006-947501

Das Radius Surgical System (RSS) – Porsche-Technologie zum Preis eines Volkswagens?

T Frede 1, A Hammady 1, J Klein 2, D Teber 2, J Rassweiler 2
  • 1Urologische Abteilung, Helios-Klinik Müllheim, Müllheim
  • 2SLK-Kliniken Heilbronn

Ziele: Nach wie vor ist die standardisierte und präzise Anwendung intrakorporaler Nahttechniken ein limitierender Faktor für die Implementierung komplexer laparoskopischer Verfahren wie der endoskopischen radikalen Prostatektomie im klinischen Alltag. Den hierfür erforderlichen langen Lernkurven stehen Robotertechnologien gegenüber, welche aufgrund der nutzbaren Freiheitsgrade gerade die rekonstruktiven Anteile der Operation deutlich vereinfachen. Dennoch wird ein Grossteil der laparoskopisch tätigen urologischen Abteilungen die Mittel sowohl für Anschaffung als auch zum Unterhaltung solcher Systeme nur schwerlich aufbringen können. Eine Lösung hierfür könnte ein neu entwickelter mechanischer Manipulator sein, welcher zusätzlich zu den herkömmlichen 4 Freiheitsgraden die stufenlose Neigung der Instrumentenspitze und deren Rotation ermöglicht.

Material und Methoden: Wir testeten, zunächst experimentell, das Radius Surgical System der Firma Tuebingen Scientific Surgical Systems, welches aus zwei handgeführten Manipulatoren besteht, welche, zusätzlich zu den bekannten Funktionen herkömmlicher Instrumente, stufenlos geneigt und in jeder Neigungsstellung um 360 Grad rotiert werden können. Basierend auf den Ausbildungsschritten unseres laparoskopischen Trainingsprogramms, welches einzelne Schritte der laparoskopischen radikalen Prostatektomie im Pelvitrainer simuliert (Stufe 1+2: gerade und halbkreisförmige Naht; Stufe 3: Ligatur des dorsalen Venenplexus; Stufe 4: vesiko-urethrale Anastomose), erprobten wir eine mögliche klinische Anwendbarkeit dieser neuen Technik. Wir analysierten die benötigten Zeiten und prüften die Qualität der Anastomosen durch intraluminale Druckmessung.

Nach Sichtung des Datenmaterials erfolgte die erste klinische Erprobung des RSS bei der laparoskopischen radikalen Prostatektomie (extraperitoneal, fortlaufende Anastomose nach van Velthoven).

Ergebnisse: Im Pelvitrainer war eine Lernkurve nur bei Erstellung kompletter Anastomosen erkennbar, diese beschränkte sich jedoch auf weniger als 10 durchgeführte Anastomosen. Bei Druckbelastung der Anastomosen waren keine Unterschiede zwischen dem mit dem neuen System Erfahrenen und Unerfahrenen erkennbar.

Im ersten klinischen Einsatz liess sich das System problemlos anwenden, auch ist die Aufsicht auf die Anastomose durch das 10mm Instrument nicht eingeschränkt. Vor allem die dorsalen Stiche der fortlaufenden urethro-vesikalen Anastomose lassen sich sehr exakt führen und die Erstellung der gesamten Anastomose wird durch Einsatz des RSS nicht wesentlich verzögert.

Zusammenfassung: Das erprobte System ermöglicht eine Nadelführung, wie sie bisher nur von computergestützten Robotersystemen bekannt ist, für einen Bruchteil des Anschaffungspreises dieser Techniken. Die verfügbaren 6 Freiheitsgrade erleichtern auch dem laparoskopisch weniger Geübten bestimmte Stichführungen. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend und rechtfertigen die weitere klinische Erprobung.