Aktuelle Urol 2006; 37 - V98
DOI: 10.1055/s-2006-947487

Genitaltransformation bei Transsexuellen. Ein fachübergreifendes Spezialgebiet für den Urologen

M Sohn 1, K Exner 1, K Wirsam 1, J Gauwerky 1
  • 1Urolog.Klinik, Plast.- u. Wiederherst. Chir., Gyn. Klinik, Markus-Krankenhaus, Frankfurt a. M.

Genitaltransformationen bei Transsexuellen wurden von Anbeginn an von einer Vielzahl von Fachdisziplinen alleine oder in Kooperation durchgeführt. Mit zunehmender Verfeinerung der Techniken ist jedoch der Urologe aufgrund seiner anatomischen und rekonstruktiven operativen Kenntnisse prädestiniert, die Federführung in der interdisziplinären Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zu übernehmen.

Material und Methode: Seit 1990 wurden bei 260 Mann-zu-Frau-Transsexuellen (MzF) und 115 Frau-zu-Mann-Transsexuellen (FzM) primäre Genitaltransformationen durchgeführt. Hierbei geschieht die M-z-F-Genitalangleichung in einer einzeitig geplanten Operation ohne Beteiligung anderer Fachdisziplinen. Brustaugmentationen durch Gynäkologen oder Plastische Chirurgen sollten frühestens 6 Monate nach dem Genitaleingriff erfolgen. Bei F-z-M-Genitaltransformationen erfolgt die operative Planung in enger interdisziplinärer Kooperation: Brustreduktion und Hysterektomie mit Adnexentfernung können ein- oder zweizeitig in Kooperation zwischen Plastischer Chirurgie und Gynäkologen geplant werden. Zur eigentlichen Genitaltransformation mit Neopenisaufbau stehen in Kooperation mit der Plastischen Chirurgie zwei grundsätzliche Techniken zur Disposition (Leistenlappenpenoid und mikrochirurgische Transplantation aus Unterarmlappen). Die Folgeeingriffe bei Komplikationen an der Urethra sowie die Prothetik des Neopenis und Neoskrotums fallen wiederum in den Zuständigkeitsbereich des Urologen. Komplexe Korrektur-Operationen sowie Zweiteingriffe bei externen Voroperationen sollten interdisziplinär entschieden und gegebenenfalls gemeinsam durchgeführt werden.

Ergebnisse: Bei Mann-zu-Frau-Transsexualität sollte entsprechend den internationalen Leitlinien eine möglichst weitgehende Angleichung des Genitale in einer Sitzung erfolgen. Der Aufbau eines Venushügels und Korrekturen der Vulva können in einer zweiten Sitzung nach 4–6 Monaten vorgenommen werden. Bei 21 Patientinnen (8%) musste nach Schrumpfung der Neovagina aus Penishaut eine neue Vaginalanlage in zweiter Sitzung aus Spalthaut erfolgen. Bei 58 Patientinnen (22%) waren andere Korrektureingriffe erforderlich. Ein Verlust der sensiblen Neoklitoris wurde in 2 Fällen festgestellt, eine rektovaginale Fistel als schwerste Komplikation wurde in weiteren 2 Fällen beobachtet.

Bei Frau-zu-Mann-Transsexuellen sind postoperative Harnröhrenprobleme (Stenosen, Fisteln) in mehr als 60% zu erwarten. Bei 115 operierten Frau-zu-Mann-Transsexuellen wurden deshalb seit 1990 insgesamt 240 Re-Operationen notwendig. Die Versorgung mit hydraulischen Penisprothesen und Hodenprothesen erfolgt in 2 Sitzungen nach vollständiger Heilung der Urethra und wurde bisher in 192 Sitzungen durchgeführt. Die Infektionsrate lag bei 10%. Eine aktuell laufende prospektive Studie zeigt, dass die Wiederherstellung der erotischen Sensibilität des Neopenis nach mikrochirurgischer Adaptation der Klitorisnerven an entsprechende Hautäste des Unterarmlappens in ca. 80% der Fälle gelingt.

Schlussfolgerung: Genitaltransformierende Operationen bei Transsexuellen stellen ein urologisches Spezialgebiet unter Einbezug anderer operativer Fachdisziplinen dar, das bei hohem rekonstruktiven Aufwand zu reproduzierbaren Ergebnissen führen kann. Aufgrund der insgesamt geringen Fallzahlen ist eine Einschränkung der Eingriffe auf ausreichend erfahrene Zentren sinnvoll.