Einleitung: Die Standardtherapie des Urothelkarzinoms des Nierenbeckens ist die radikale Nephroureterektomie
mit Entnahme einer Blasenmanschette um das Ureterostium. Bei vorliegenden Metastasen
schließt sich meist eine Cisplatin-haltige Polychemotherapie an. Diese Chemotherapie
kann nur bei einer geringen Anzahl von Patienten zu dauerhaften Heilungen oder längerfristigen
Remissionen führen. Wir stellen den bemerkenswerten Verlauf eines Patienten mit metastasiertem
Urothelkarzinom des Nierenbeckens vor.
Kasuistik: Wir führten bei einen 59-jährigen Patienten eine Tumornephrektomie rechts bei V.
a. ein pulmonal, lymphogen und ossär metastasiertes Nierenzellkarzinom durch. Im pathohistologischen
Befund zeigte sich ein fortgeschrittenes Urothelkarzinom des Nierenbeckens (Tumorstadium
pT3a) mit ausgeprägter Metastasierung in die retroperitonealen Lymphknoten (LK), pulmonaler
und ossärer Filialisierung im rechten Os ileum. Nach palliativer analgetischer Radiatio
der rechten Ileosakralfuge und 6 Kursen Chemotherapie mit Gemcitabin (1200mg/m2 KO)
und Cisplatin (70mg/m2 KO) zeigte sich in der Staging-CT ein „stable disease“ (SD).
Im weiteren Verlauf führten wir aufgrund eines Progresses nach 4 Monaten erneut 6
Kurse Chemotherapie mit Gemcitabin/Cisplatin durch. Insgesamt wurden 24 Kurse der
Polychemotherapie mit Gemcitabin und Cisplatin dem Patienten verabreicht bei rezidivierendem
Progress in den Chemotherapiefreien Intervallen. Im letzten therapiefreien Intervall
kam es schon nach 6 Wochen zu einer deutlichen Größenzunahme der disseminierten pulmonalen
und retroperitonealen Filialisierung, so dass eine „Second-line“ Polychemotherapie
mit Gemcitabin (1000mg/m2 KO) und Paclitaxel (175mg/m2 KO) als Therapieversuch eingeleitet
wurde. Im Zwischenstaging zeigte sich schon nach 2 Kursen eine deutliche Abnahme der
Größe und Anzahl der intrapulmonalen Filiae und der retroperitonealen LK-Filiae. Seitdem
führen wir diese Chemotherapie als sequenziell applizierte Erhaltungstherapie im 21-Tage-Zyklus
durch. Der Patient lebt derzeit mit andauernder partieller Remission (PR) nach 18
Kursen der begonnenen Chemotherapie beschwerdefrei und berichtet über ein deutlich
gesteigertes Wohlbefinden gegenüber der vorherigen Cisplatin-haltigen Therapie.
Diskussion: Patienten mit lymphogen oder hämatogen metastasiertem Urothelkarzinom haben eine
5-Jahres-Überlebensrate von nur noch 15–20%. Das mittlere Überleben beim metastasierten
Urothelkarzinom mit viszeralen Metastasen beträgt ca. 10 Monate und kann mit einer
Zweierkombination bestehend aus Gemcitabin/Cisplatin auf ca. 14 Monate gesteigert
werden bei einer Gesamtansprechrate von 49%. Trotz initial ungünstiger Prognose lebt
im vorliegenden Fall der Patient im 44. Monat nach Erstdiagnosestellung z. Z. subjektiv
beschwerdefrei in gutem Allgemeinzustand (Karnofsky-Perfomancestatus 100%) nach insgesamt
24 Kursen Gemcitabin/Cisplatin (SD) und 18 Kursen Gemcitabin/Paclitaxel in PR.
Schlussfolgerung: Dieser interessante Fall belegt eindrucksvoll die Notwendigkeit, gerade bei jüngeren
Patienten trotz scheinbarem Therapieversagen einer etablierten Chemotherapie neuere
Polychemotherapieschemata als Therapieversuch einzusetzen und damit dem Patienten
eine weitere Option anbieten zu können. Hierbei möchten die Verfasser darauf hinweisen,
geeignete Patienten in geprüfte und kontrollierte Studienprotokolle (www.auo-online.de)
einzuschleusen, um eine konsequente Datenerfassung und Auswertbarkeit zu gewährleisten.