Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(4): 217-220
DOI: 10.1055/s-2006-943535
psychoneuro für die Hausarztpraxis

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Psychotische Störungen

Katrin Wolf
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Publication Date:
17 May 2006 (online)

Psychotische Störungen zählen nach Depressionen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Die Lebenszeitprävalenz liegt weltweit zwischen 0,5 bis 1,6 %. Dabei können bereits lange Jahre vor dem Vollbild einer psychotischen Episode erste Anzeichen in den Bereichen Denken, Wahrnehmung, Ich-Funktionen, Affektivität, Antrieb und Psychomotorik erkannt werden. Dem Hausarzt kommt daher bei dieser Erkrankung sowohl in der Früherkennung als auch in der ersten Diagnostik eine entscheidende Rolle zu, wie Christian Deckert in seinem Beitrag ausführt.

Ist die Psychose erst einmal ausgebrochen, ist eine medikamentöse Behandlung meist nicht zu umgehen. Zwar kann eine Psychose von allein wieder abklingen, niemand kann aber bisher voraussagen, ob der Patient jetzt genau zu diesen wenigen Glücklichen gehört. Galt früher noch die so genannte Drittel-Regel - ein Drittel der Patienten erleidet nur eine Episode, ein Drittel wird nur leicht eingeschränkt, ein Drittel schwer beeinträchtigt werden - ist die Einschätzung heute wesentlich pessimistischer, vermutlich bleiben nur 10 % der Betroffenen langfristig von weiteren Episoden verschont.

Bei der Behandlung ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Facharzt erforderlich. So sollten neben der Pharmakotherapie auch allgemeine und spezielle psychotherapeutische, soziotherapeutische und ergotherapeutische Maßnahmen angeboten werden. Eines der Hauptprobleme ist dabei die schlechte Compliance der Patienten, nicht einmal jeder zweite Patient nimmt langfristig regelmäßig seine Medikamente - Obwohl das Absetzen den Antipsychotika den größten Risikofaktor für einen Rückfall darstellt und die Prognose der Patienten mit jedem Rezidiv schlechter wird.

Die neue Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) zur Behandlung der Schizophrenie (www.dgppn.de) fordert daher die Erstellung eines Gesamtbehandlungsplanes unter Partizipation der Betroffenen und aller am Behandlungsprozess Beteiligten. Das Behandlungsziel sei „der von Krankheitssymptomen weitgehend freie, zu selbstbestimmter Lebensführung fähige, therapeutische Maßnahmen in Kenntnis von Nutzen und Risiken abwägende Patient.” Die Leitlinie nimmt auch klar Stellung zur Diskussion zwischen alten und neuen Antipsychotika. Sie empfiehlt u.a. bei schizophrenen Ersterkrankungen aufgrund der gegenüber den typischen Antipsychotika zumindest vergleichbaren Wirkung auf die Positivsymptomatik, bei Hinweisen auf eine überlegene Wirksamkeit bezüglich der Negativsymptomatik und geringerer dosisabhängiger extrapyramidal-motorischer Nebenwirkungen atypische Neuroleptika. Ähnliches gilt für die Behandlung der akuten schizophrenen Episode, falls nicht der Patient selbst konventionelle Antipsychotika präferiert oder er darauf bereits ohne relevante Nebenwirkungen remittierte.

Dr. Katrin Wolf

Stuttgart

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