Zusammenfassung
Hintergrund: Im Rahmen einer rehabilitationswissenschaftlichen Diplomarbeit (Bereich Geisteswissenschaften)
an der Humboldt-Universität Berlin wurde untersucht, ob und in welchen Bereichen sich
das Leben von Menschen mit Keratokonus (KK) verändert und welche Kompensationsmöglichkeiten
genutzt werden. Die Arbeit basiert auf dem „Konstrukt der Kompensation von Sehschädigungen”
nach Nater [21]
[22], deren ressourcenorientierte Sichtweise immanent ist: Ein schlechtes Sehvermögen
hat einschränkende Auswirkungen auf die Lebensgestaltung, welche aber durch geeignete
Kompensationsmaßnahmen minimiert werden können, sodass im besten Falle Normalität
erreicht bzw. empfunden wird. Material/Methode: In einer deutschlandweiten schriftlichen Fragebogenuntersuchung (n = 192) wurden
die Lebensveränderungen, die sich durch die Erkrankung ergeben können, erfasst und
ausgewertet. Ergebnisse: Für Ophthalmologen, Optometristen und Augenoptiker, die KK-Patienten betreuen, steht
überwiegend die medizinische bzw. optische Versorgung/Anpassung im Vordergrund [3]
[9]
[13]
[15]
[16]
[18]
[20]
[23]
[25]
[34]
[38]
[40]. Die vorliegenden Ergebnisse erweitern diese medizinisch bzw. optisch orientierte
Sichtweise und geben Einblicke in andere Lebensbereiche der Betroffenen, deren Probleme
und Kompensationsstrategien: Menschen mit KK haben eine Zwischenstellung zwischen
starker Sehbehinderung und Normalität. Das wichtigste Kompensationsmittel bei dieser
Erkrankung stellt derzeit die formstabile KK-Kontaktlinse dar. Mit deren Hilfe sind
die meisten KK-Patienten normalsichtig, was sich positiv auf alle Ergebnisse auswirkt.
Bei schneller und starker KK-Entwicklung sind die Lebenseinschränkungen (bei gleichen
Visuswerten) größer als bei gegensätzlicher Entwicklung. Das Vorhandensein eines engen
sozialen Netzes wirkt sich, entgegen der Annahme, nicht eindeutig erleichternd auf
die empfundenen Lebenseinschränkungen aus. Eine positiv empfundene Diagnosemitteilung
hat positiven Einfluss auf die Annahme und Integration des KK ins eigene Leben. Schlussfolgerung: Um die Situation von Menschen mit KK zu verbessern, ist eine optimale medizinische/optische
Versorgung wichtig, Interdisziplinarität aller beteiligten Berufe, eine rechtzeitige,
einfühlsame, fachlich fundierte Diagnosemitteilung sowie das Bekannt machen der Erkrankung
in der Öffentlichkeit.
Abstract
Background: The article is based on an undergraduate thesis that was written within the framework
of investigating problems of rehabilitation in the humanities department of Berlin’s
Humboldt University. It deals with the issue of whether and, if so, in what spheres
of life, people suffering from keratoconus may have to expect changes in lifestyle
and what possibilities exist for compensation. The paper is based on the “construct
of compensating impairment of sight” according to Nater, a fundamentally resource-oriented
approach. Impaired vision has restrictive effects on the quality of life, which can,
however, be minimised by appropriate measures of compensation so that, at best, normality
can be achieved or felt. Materials and Methods: In a Germany-wide written survey by questionnaire. The changes in lifestyle arising
from the disease were registered and evaluated (n = 192). Results: Ophthalmologists, optometrists and opticians attending to keratoconus patients generally
emphasise the medical or optical care, respectively. The results arrived at in this
study extend the medically or optically oriented view and give insights into other
spheres of life of those affected, their problems and their strategies of compensation.
People suffering from keratoconus occupy an intermediate position between severe dysopia
and normality. The most important means of compensation for people with KC is at present
the rigid gas permeable contact lens. With its help, most KC patients enjoy normal
eyesight, which has a favourable effect on all the results. If keratoconus develops
vehemently, restrictions in the quality of life are more severe than in the case of
a slow development of the disease. Contrary to the hypothesis proposed in the paper,
the existence of a tight social network does not have much of an alleviating effect
on the restrictions felt. A sympathetic communication of the diagnosis, however, will
have a favourable effect on the patient in accepting the condition and integrating
KC into his or her life. Conclusions: In order to improve the situation of people suffering from KC, the best possible
medical/optical care, the interdisciplinarity of all professions involved, and an
early, sympathetic and medically well established communication of the diagnosis are
essential as well as publicising the disease.
Schlüsselwörter
Keratokonus - Sehschädigung - Kompensation - Lebenseinschränkungen - Normalität
Key words
keratoconus - impairment of sight - compensating - restrictions in the quality of
life - normality
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Irina Wahrendorf, Dipl.-Pädagogin (Rehabilitation)
HU-Berlin, KL-Institut
Petersburger Str. 66
10249 Berlin
Email: i.wahrendorf@gmail.com