Z Sex Forsch 2006; 19(1): 1-14
DOI: 10.1055/s-2006-921502
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

„Du bist so 'ne Schwuchtel, Alter”

Männlichkeit in der Adoleszenz und der „Schwuchteldiskurs”[1] [2] C. J. Pascoe
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Publication Date:
29 March 2006 (online)

Übersicht:

In dieser ethnographischen Studie an einer kalifornischen High School geht es um die Frage, welche Bedeutungen das Verhöhnen als „schwul” oder „Schwuchtel” unter adoleszenten Jungen hat. Die Ergebnisse belegen, dass Spott und Beleidigung nicht so sehr auf eine sexuelle, sondern auf eine geschlechtliche Besonderheit zielen und den adressierten Jungen vor allem als „unmännlich” kennzeichnen sollen. So ist die Zuschreibung als „Schwuchtel” in den adoleszenten Spottritualen keineswegs nur oder auch nur vorrangig auf tatsächlich homosexuelle Jugendliche gerichtet, eine „Schwuchtel” kann jeder werden. Die Zuschreibung ist flüchtig, da sie sofort an jemanden anderen weitergegeben werden kann. In den Ritualen Adoleszenter wird die Figur der „Schwuchtel” zu einem „verwerflichen Außen” im Sinne Judith Butlers, zu einem bedrohlichen Gespenst, das Jungen ständig beschwören und vertreiben müssen, um sich ihrer Maskulinität zu versichern.

1 Aus dem Amerikanischen von Gunter Schmidt, Hamburg

2 Wir übersetzen den amerikanischen Ausdruck „fag” (Abkürzung für „faggot”), mit dem ein homosexueller Mann bezeichnet wird, der sich penetrieren lässt und deshalb als unmännlich gilt, mit dem deutschen Wort „Schwuchtel” (Anm. d. Übers.).

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1 Aus dem Amerikanischen von Gunter Schmidt, Hamburg

2 Wir übersetzen den amerikanischen Ausdruck „fag” (Abkürzung für „faggot”), mit dem ein homosexueller Mann bezeichnet wird, der sich penetrieren lässt und deshalb als unmännlich gilt, mit dem deutschen Wort „Schwuchtel” (Anm. d. Übers.).

3 Selbstverständlich beleidigen sich auch Mädchen durch sexuelle Zuschreibungen. Aber nach meinen Befunden belästigen weder Jungen noch Mädchen andere Mädchen so häufig und in der Art und Weise, wie es unter Jungen mit dem Spott über die „Schwuchtel” üblich ist.

4 Hier und im Folgenden wird „Geschlecht” immer im Sinne von „Gender” benutzt (Anm. d. Übers.).

5 Ich gebrauche „Diskurs” im Foucaultschen Sinne, um wahrheitsproduzierende Praktiken zu beschreiben, also nicht nur Texte oder Reden (Foucault 1978).

6 Alle Orts- und Personennamen sind geändert.

7 „Autoshop” ist ein Kurs, in dem die Schüler lernen können, wie Autos funktionieren und wie man sie repariert. Die Schüler können das erworbene Wissen durch das Auseinanderbauen und Wieder-Zusammensetzen von Autos praktisch anwenden und vertiefen. Diese Kurse sind vor allem bei Jungen beliebt (Anm. d. Übers.).

8 Das Wort „schwul” hat im Deutschen wohl beide Bedeutungen. Zum einen wird es als sexuiertes Schimpfwort verwendet, zum anderen und zunehmend auch dafür, dass etwas im nichtsexuellen Sinne absonderlich oder „blöd” ist. So kann ein „schwules T-Shirt” beides bedeuten: dass es „weibisch” aussieht oder dass es einfach „daneben” ist (Anm. d. Übers.).

9 Vgl. Fußnote 7

C. J Pascoe
 Ph. D

University of California Berkeley · Department of Sociology

410 Barrows Hall

Berkeley CA 94720-1980

Email: cjpascoe@socrates.berkeley.edu

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