Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2005; 31(10): B 437
DOI: 10.1055/s-2005-923451
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Postherpetische Neuralgie - eine Crux medicorum

Hagen Sandholzer
Further Information

Publication History

Publication Date:
30 November 2005 (online)

Herpes Zoster ist eine wichtige Ursache für akute und chronische Thoraxschmerzen. Während die akute Phase vor Auftauchen der Effloreszenzen vor allem dem behandelnden Arzt (differentialdiagnostische) Kopfschmerzen bereitet, stellt die postherpetische Neuralgie bei einem Viertel aller Betroffenen eine therapeutische Crux medicorum dar [1]. Die Symptomatik ist vielgestaltig: der Patient kann anfallsweisen oder dauerhaften, provozierbaren oder spontanen, brennenden oder schneidenden Schmerz haben; meistens folgt daraus eine massive Einschränkung der alltäglichen Lebensqualität.

Eine neuere Metaanalyse von Kathleen Hempenstall und Mitarbeitern gibt nun eine evidenzbasierte Entscheidungsgrundlage, wie den geplagten Patienten zu helfen ist. Sie suchten alle publizierten randomisierten Studien zwischen 1966 und 2004 und fanden 25 auswertbare Publikationen, die sich auf postherpetischer Neuralgie von mindestens drei Monaten Dauer bei Erwachsenen bezog. Erfolgskriterium war eine Besserung durch die Behandlung von mindestens 50 %. Demnach half eine orale Medikation mit trizyklischen Antidepressiva, Tramadol und stark wirksamen Opiaten, Gabapentin und Pregabalin. Aber auch eine lokale Behandlung mit Lokalanästhetika und Capsicain (in wärmenden Rheumapräparaten enthalten) linderte den Schmerz. In den Studien wurde meistens Amitryptilin mit 12,5-25 mg eingeschlichen und auf bis zu 150 mg aufdosiert, die Erhaltungsdosis betrug um die 75 mg/die. Tramadol wurde mit 100 mg/die zu Beginn bis zu maximal 400 mg/die dosiert. Gabapentin wurde innerhalb von zwei Wochen auftitriert, nach Datenlage reichen zwischen 1200 (Minimale Dosis) bis zu 2400 mg /die aus. Eine therapeutische Option für therapierefraktäre Fälle ist die Verordnung von Morphin oder anderen starken Opiaten. Ein therapeutischer Ansatz bei den N-Methyl-D-Aspartat (NMDA) Glutamat Rezeptoren, zum Beispiel durch Memantin, ist wirkungslos. Gleiches gilt für Codein, nichtsteroidale Antirheumatika (lokal oder systemisch), Benzodiazepine, 5-HT1-Antagonisten und Aciclovir. Die Überweisung zur intrathekalen oder epiduralen Injektion von Lokalanästhetika oder Kortison wird durch die vorhandenen Studien nicht gestützt. Akupunktur stellt eine therapeutische Option dar, mit jedoch schwacher Datenbasis. Die Autoren empfehlen aus Kostengründen Amitryptilin als first-line-Therapie, während Gabapentin und Opiate bei Unverträglichkeit oder Unwirksamkeit der Trizyklika zum Einsatz kommen sollten.

Da vor der Therapie dieser schweren Krankheit die Prophylaxe steht, soll an dieser Stelle auf die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) hingewiesen werden, die die Varizellenimpfung für die Grundimmunisierung empfiehlt (2). Ende des Jahres wird ein Vierfachimpfstoff auf den Markt kommen, der gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen schützt und damit die Extraspritze für unsere kleinen Patienten überflüssig macht. Leider kursiert in Mütterkreisen noch immer die Meinung, dass Windpocken eine harmlose Erkrankung sind. Hier ist in der Aufklärung über Nutzen und Nebenwirkungen der Impfung nicht nur die Gefährlichkeit der Varizellen für junge Säuglinge, sondern auch die später auftretende postherpetische Neuralgie zu berücksichtigen.

Literatur

  • 1 Hempenstall K. et al. . Analgesic therapy in postherpetic neuralgia: a quantitative systematic review.  Plos medicine. 2005;  2 164
  • 2 Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO).  Epidemiologisches Bulletin. 2005;  30

Prof. Dr. med. Hagen Sandholzer

Leipzig

    >