psychoneuro 2005; 31(10): 474
DOI: 10.1055/s-2005-922003-10
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Multiple Sklerose - Glatirameracetat - vom Reagenzglas zur effektiven Langzeittherapie

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Publication Date:
17 January 2006 (online)

 

Die Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste nicht durch Unfälle hervorgerufene neurologische Krankheit, an der Menschen im frühen bis mittleren Erwachsenenalter erkranken. Damit ist sie die dritthäufigste Ursache für schwere Behinderungen in dieser Altersgruppe nach Traumata und Arthritiden. In Deutschland leiden mindestens 130000 Menschen an MS. Frauen sind bei der häufigsten, der schubförmigen Verlaufsform, ca. 1,8-mal häufiger betroffen als Männer.

Zur immunmodulatorischen Dauertherapie stellen, so Dr. Dieter Pöhlau, Asbach, Glatirameracetat (GLAT; Copaxone®) und die Interferon-beta-Präparate die Therapien der ersten Wahl bei schubförmig verlaufender MS dar. Die Wirksamkeit dieser Medikamente konnte klinisch bewiesen werden. Unter diesen Therapien treten signifikant weniger und mildere Schübe auf, die Progredienz der Behinderung wird verlangsamt. Paraklinisch zeigt sich in Kernspintomogrammen des Zentralnervensystems, dass durch diese Therapeutika weniger neue, aktive Entzündungsherde auftreten.

Die Multiple Sklerose Therapie Konsensusgruppe (MSTKG) empfiehlt in ihren Leitlinien eine Basistherapie der MS mit GLAT oder einem Interferon-beta-Präparat. Wenn die Patienten unter dieser Behandlung nicht stabil werden, sollte eine Eskalation der Therapie z.B. zu dem Chemotherapeutikum Mitoxantron erfolgen, erläuterte Pöhlau. Bei wieder eingetretener Stabilität kann sich eine Deeskalation zu einem Basistherapeutikum der MS ergeben.

Diese Empfehlung spiegelt das neue Denken in der MS-Therapie wider, dass Patienten mit MS frühzeitig und von Anfang an konsequent behandelt werden müssen. Versäumnisse ab ovo sind im weiteren Verlauf praktisch nicht aufzuholen, vor allem weil die Regenerationskapazität des Gehirns limitiert ist und von Beginn an nicht nur das Myelin angegriffen wird, sondern auch die Nervenfasern selbst untergehen und damit "Neurodegeneration" auftritt, die kaum reversibel ist.

Inzwischen liegen Langzeitdaten von Patienten vor, die man zum Teil über mehr als 10 Jahre mit GLAT behandelte. Diese belegen, dass von den Patienten, die über diesen Zeitraum therapiert wurden und die Behandlung nicht abbrachen, ca. 70% klinisch stabil waren. Zu diesen Daten muss jedoch angemerkt werden, dass wie in allen Langzeitbeobachtungen auch hier die schlechten Responder oder non-Responder wahrscheinlich die Therapie gewechselt haben.

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