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DOI: 10.1055/s-2005-919639
Mutation im ALS2-Gen als Ursache einer Juvenilen Amyotrophen Lateralsklerose mit Betonung des 1. Motoneurons und Pseudobulbärparalyse
Hintergrund: Wir berichten über den Fall eines 32jährigen, türkischen Patienten aus unserer Motoneuronambulanz bei unauffälliger Familienanamnese mit einer seit dem ersten Lebensjahr progredienten spastischen Tetraparese, die sich zunächst mit einer Gangstörung und im weiteren Verlauf zu einer hochgradigen Tetraspastik mit Pseudobulbärparalyse entwickelte. Im Alter von 15 Jahren wurden erstmals distale amyotrophe Paresen im Bereich der kleinen Handmuskulatur und der Unterschenkelmuskulatur beschrieben. Im Alter von 28 Jahren wurde nach unauffälliger Zusatzdiagnostik anhand klinischer Kriterien die Diagnose einer Juvenilen Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) Typ 3 nach Hamida et al. (Brain 1990) gestellt.
Methoden und Ergebnisse: Die Elektromyographie zeigte im M. add poll br Zeichen eines akuten und chronisch neurogenen Umbaus, im Tibialis-SEP einen axonalen Schaden links, in der motorischen Elektroneurographie des N. tibialis einen linksbetonten axonalen Schaden und eine Hyperexzitabilität der F-Wellen. In der Magnetstimulation beider Beine waren keine Potentiale ableitbar. Die Okulomotoriktestung zeigte sakkadierte Blickfolgebewegungen. Laborchemisch fanden sich wiederholt erhöhte CK-Werte, ansonsten auch im Verlauf ausnahmslos unauffällige Werte der Spezialuntersuchungen in Blut und Liquor. Die MRT von Kopf und HWS war unauffällig.
In der aktuell durchgeführten humangenetischen Untersuchung konnten im Alsin-Gen mehrere Basenaustausche, insbesondere jedoch eine kleine Deletion, die zu einem „frame-shift“ und vorzeitigem Translationsabbruch führt, nachgewiesen werden. Alle Basenaustausche waren homozygot. Das Genprodukt Alsin ist ein 184 kD-Protein mit Guanine-nucleotide exchange factor (GEF)-Domänen. Mutationen sind für einige Formen der kindlichen ALS in Nordamerika und Afrika verantwortlich.
Schlussfolgerung: Bei dem beschriebenen Patienten handelt es sich um den ersten in Europa detektierten Fall einer juvenilen ALS bei nachgewiesener Alsin-Mutation. Obwohl es sich nach den bisherigen Erkenntnissen um ein seltenes Krankheitsbild handelt, muss bei im Vordergrund stehender Schädigung des 1. Motoneurons an die Differentialdiagnose einer Alsin-assoziierten ALS gedacht werden.