Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P598
DOI: 10.1055/s-2005-919629

Unilaterale Hypoglossusparese bei Dissektion der Arteria carotis interna

C Walter 1, V Kuhl 1, A Lindner 1
  • 1Stuttgart

Die Dissektion der Arteria carotis interna ist eine häufige Ursache des juvenilen Schlaganfalls. Eine spontane Karotisdissektion ist klinisch typischerweise von einem ipsilateralen Hals- und Kopfschmerz sowie kontralateralen neurologischen Ausfällen begleitet, zusätzlich besteht eventuell ein Hornersyndrom. Bei 3–12% der Fälle mit Karotisdissektionen treten zudem Hirnnervenausfälle auf, in 0,5% Hirnnervenausfälle ohne Kopf- oder Halsschmerzen.

Eine isolierte Hirnnervenläsion kann eine Vielzahl verschiedener Ursachen haben, unter anderem Hirnstammischämien, Aneurysmen, Subarachnoidalblutungen, infektiöse oder nichtinfektiöse Meningitiden, eine Meningeosis carcinomatosa, maligne Tumoren der Schädelbasis, Prozesse im Sinus cavernosus und andere entzündliche Erkrankungen.

Ein isolierter Hirnnervenausfall nach Karotisdissektion, insbesondere eine isolierte Läsion des N. hypoglossus, ist eine seltene Erscheinung.

Ein 48-jähriger Mann erlebte 2005 beim Skifahren ohne Trauma heftige Cervikalgien und Cephalgien links, es kam zu Schwindel und Übelkeit, die Kopfschmerzen besserten sich nicht wesentlich auf Analgetikaeinnahme. Vier Tage später wich die Zunge zur linken Seite ab. Im neurologischen Untersuchungsbefund fand sich eine Hypoglossusparese links mit Hypogeusie und eine Hypästhesie im Bereich des dritten Trigeminusastes.

Duplexsonographisch zeigte sich eine Dissektion der distalen extrakraniellen A. carotis interna links mit Wandhämatom. Die NMR-Angiographie und -Tomographie bestätigte eine längerstreckige Dissektion der linken A. carotis interna im extrakraniellen Verlauf mit partiell thrombosiertem falschen Lumen ohne höhergradige Stenosierung. Im NMR des Schädels fand sich kein Hinweis auf eine frische Ischämie.

Eine Schädigung des N. hypoglossus im Sinne einer Druckläsion durch exzentrische Ausdehnung des subadventitiellen Wandhämatoms im Bereich der distalen A. carotis interna scheint pathophysiologisch naheliegend. Das subintimal lokalisierte Hämatom kann durch Lumeneinengung auch zu zentral ischämischen Läsionen führen. Eine andere Theorie ist die Ischämie der Vasa nervorum durch Kompression. Die Dissektion der A. carotis interna als seltene Ursache von isolierten Hirnnervenausfällen sollte in die differentialdiagnostischen Überlegungen stets miteinbezogen werden, da die rechtzeitige Diagnosestellung und Einleitung der antikoagulatorischen Behandlung thrombembolischen Komplikationen vorbeugen kann.