Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P447
DOI: 10.1055/s-2005-919479

Prospektive auditive Analyse der Dysarthrophonie bei akuten singulären Infarkten unterschiedlicher Topographie

P Urban 1, R Rolke 1, S Wicht 1, A Keilmann 1, P Stoeter 1, H.C Hopf 1, M Dieterich 1
  • 1Mainz

Fragestellung: Obwohl die Dysarthrophonie ist ein häufiges Symptom akuter zerebraler Ischämien ist, liegen keine systematischen Untersuchungen der auditiven Merkmale bei unterschiedlichen Lokalisationen der Infarkte vor.

Methodik: In einer prospektiven Studie untersuchten wir auditive Charakteristika bei 62 konsekutiven Patienten mit einer Dysarthrophonie aufgrund eines im MRT nachgewiesenen singulären Infarktes. Die Infarkte waren kortikal (9), striatocapsulär (29), pontin (15) und zerebellär (9) lokalisiert. Bei allen Patienten wurden innerhalb der ersten 72 Stunden standardisierte Sprechproben digital aufgenommen. Diese wurden durch zwei Logopäden, denen der klinische und neuroradiologische Befund nicht bekannt war, unabhängig voneinander beurteilt. Es erfolgte die standardisierte Bewertung 31 unterschiedlicher auditiver Merkmale bezüglich Artikulation, Phonation, Prosodie und Atmung auf einer von 0 bis 6 reichenden Intervallskala.

Ergebnisse: Es zeigte sich eine gute Beurteilerübereinstimmung (Cohen's kappa 0.81). Der mittlere Gesamtschweregrad der Dysarthrophonie betrug 2.9±1.2. Die Konsonantenartikulation war signifikant stärker betroffen als die Vokalartikulation. Die ANOVA ergab eine signifikant stärkere Ausprägung der Dysarthrophonie und eine stärkere Beeinträchtigung artikulatorischer Merkmale bei links zerebralen Läsionen unabhängig vom Ort der Läsionen. Die Prosodie war dagegen nur bei pontinen und zerebellären Infarkten bei linksseitigen Läsionen stärker beeinträchtigt. Bei der Phonation zeigten sich keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Infarktseite. Extrazerebelläre Infarkten wiesen bei keinem der 31 auditiven Merkmale signifikante Unterschiede in Abhängigkeit von der Infarkttopographie auf. Zerebelläre Infarkte zeigten gegenüber extrazerebellären Infarkten eine stärkere Beeinträchtigung der Konsonanten-und Vokalartikulation, eine verlangsamte Sprechrate, eine Verlängerung, Reduktion und Elision von Lauten und Silben auf.

Schlussfolgerungen: Linksseitige Infarkte wiesen unabhängig von der Infarkttopographie eine stärkere Ausprägung der Dysarthrophonie auf. Gut vereinbar mit der gemeinsamen Läsion kortikobulbärer Projektionen in verschiedenen Etagen zeigten extrazerebelläre Infarkte bei keinem der 31 auditiven Merkmale signifikante Unterschiede. Dagegen liessen sich signifikante auditive Unterschiede bei zerebellären Infarkten gegenüber extrazerebellären Infarkten nachweisen.

Gefördert durch die DFG Ur 37/2–2