Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2005; 37(3): 141
DOI: 10.1055/s-2005-917986
Praxis
Pro & Contra
Karl F. Haug Verlag, in: MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Stellenwert der Immundiagnostik in der Onkologie - Contra

Further Information

Publication History

Publication Date:
04 October 2005 (online)

•Contra

Ganz im Sinne des Mephistopheles („Ich bin der Geist, der stets verneint”) soll ich nun die Contra-Position einnehmen, obwohl ich Herrn PD Dr. Bieger, der Geschäftsführer der ANT.OX GmbH & Co. KG ist, nicht wirklich widersprechen möchte. Aber damit der „Weg in der Mitte” sichtbar wird, sollte man vielleicht auf einige Punkte aufmerksam machen:

Wenn es auch relativ leicht ist, bestimmte immunkompetente Zellen im Zeitverlauf zu erfassen und besondere Konstellationen herauszuarbeiten, so ist die therapeutische Beeinflussbarkeit zellulärer Dysfunktionen (bis auf Ausnahmen) doch recht begrenzt. Natürlich kann und soll man Mangelzustände ausgleichen und versuchen „günstige Bedingungen” zu schaffen, aber es bleibt unklar, was nur „Verschönerung” des Immunstatus und was letztendlich therapeutisch effektiv ist. Wenn man an einem „Schräubchen” eines komplexen Regelsystems, das man nur Ansatzweise versteht, dreht, was wird sich wohl ändern? Try and Error. Wird ein Tumorgeschehen dadurch günstig beeinflusst?

Natürlich gibt es die Beobachtungen, dass eine höhere NK-Zellaktivität mit einem geringeren Tumorrisiko in späteren Jahren assoziiert sein kann, aber was nützt dieses Wissen, wenn der Tumorpatient gerade jetzt vor einem sitzt? Oder dass eine höhere NK-Zellaktivität bei Tumorerkrankten mit einer besseren Prognose zusammenhängt, derselbe Patient aber eine gering ausgeprägte NK-Zellaktivität hat? Denn wie stimuliert man z.B. gezielt die NK-Zellaktivität eines Patienten? Lässt sich das, was im Reagenzglas gut funktionieren mag, auf die klinische Situation übertragen - jenseits einer Immunmakulatur? Und in welchem Verhältnis steht die in vitro-Effektstärke zur klinischen Effektstärke?

Eine andere Frage ist, ob sich die Wirksamkeit besonderer Begleittherapien überhaupt anhand immunologischer Surrogat-Parameter abschätzen lässt. Für die Funktionsteste wird eine definierte Population immunkompetenter Zellen mit immunmodulierenden Substanzen inkubiert und die in vitro-Effekte dann als „rationale Grundlage” einer komplementärmedizinischen Therapieempfehlung herangezogen. Inwieweit diese überhaupt auf die klinische Situation (unterschiedliche Konzentrationen, Verteilungsräume, Applikationsarten etc.) übertragbar sind, ist unklar. Und welchem Test sollte man am ehesten trauen? Dem Ergebnis des NK-Zell-Essays oder des Lymphozytentransformationstests? Oder doch lieber der Granulozytenfunktionstestung? Ist die Eosinophilendegranulationstest für den Tumorpatienten wirklich von Relevanz? Und kann man letztendlich tatsächlich bestimmte immunologische Grundmuster durch geeignete Maßnahmen langfristig korrigieren, so dass sich ein günstigerer klinischer Verlauf ergibt? - So viele Laborinformationen, die man erhalten kann, aber so wenig Wissen über die Bedeutungszusammenhänge im individuellen Fall.

Aber letztendlich wendet sich das Contra dann doch wieder dem Pro zu: Wenn man im Laufe der Zeit immer wieder positive Verläufe sieht, die mit bestimmten (scheinbar günstigen) immunologischen Konstellationen assoziiert sind, dann stellt sich einem eine gewisse Gewissheit ein, doch auf dem richtigen Weg zu sein und dem Patienten und seinen behandelnden Ärzten Informationen an die Hand zu geben, die nützlich und sinnvoll sein können.

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Arndt Büssing

Kebsforschung Herdecke e.V. Immunologisches Labor

Heinrichstr. 67

44805 Bochum-Gerthe

    >