Klin Monbl Augenheilkd 2006; 223(2): 178-179
DOI: 10.1055/s-2005-858726
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Paralipomena zur vorangegangenen Veröffentlichung (Klin Monatsbl Augenheilk 2004; 221: 1062)

T. Fischer
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Publication Date:
17 February 2006 (online)

„Über die medikamentöse Prävention und die präventive Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) durch die günstige Beeinflussung der Gefäßendotheldysfunktion (ED).”

Die Erkenntnis, wonach die Gefäßendotheldysfunktion (ED) der krankhaft betroffenen Augenstruktur bei der Entstehung der AMD eine Schwerpunktrolle spielt und auf den weiteren Verlauf der Krankheit (Besserung, Stagnation, Verschlimmerung) eine grundlegende Auswirkung hat, besitzt große therapeutische Bedeutung: Durch eine andauernde präventive medikamentöse Behandlung mit ACE-Inhibitor-, Angiotensin-II-Rezeptoren-Blocker(ARB)- und Statin-Präparaten kann die ED außerordentlich günstig beeinflusst werden.

Bei den an einer mittelschweren und an einer fortgeschrittenen AMD leidenden Patienten sind die CRP-Serumwerte - im Vergleich zu den makulopathiefreien Kontrollpersonen - signifikant erhöht: Die erhöhte Serumkonzentration des Inflammationsbiomarkers C-reaktives Protein (CRP) kann als ein unabhängiger und selbstständiger Risikofaktor der AMD eingestuft werden. Diese rezente klinische Beobachtung ist vielsagend:

Sie spricht für die ursächliche Rolle der Entzündung in der Pathogenese der AMD (das erhöhte CRP verursacht über TNF-α und IL-1 eine mittels Lipidoxidation induzierte entzündliche Reaktion, wobei die Lipidoxidation selbst eine permanente Gefäßwandschädigung verursacht. Sie hebt die Teilnahme der Endothelfunktionsstörung in dem pathophysiologischen Geschehen der AMD heraus. Die erhöhten CRP-Serumwerte sind nämlich mit einer abgeschwächten endothelialen Vasodilatatorfunktion (ED) verknüpft. Die vergrößerte CRP-Serumkonzentration hemmt die biologische Verwendungsfähigkeit/Zugänglichkeit des endotheliellen Stickstoffmonoxids (eNO), reduziert die Expression der endotheliellen NO-Synthase (eNOS) und vergrößert die NO inaktivierende Oxygen-Freiradikalbildung.

Der erhöhte CRP-Serumspiegel steht also durch oxidativen Stress mit der Entfaltung der ED in Zusammenhang: Das CRP stimuliert die AT1-Rezeptoren des Agiotensins-II (AT1R), und die Aktivierung der AT1R bringt oxidativen Stress und eine konsekutive ED zustande. Das CRP ist demnach nicht nur ein prognostischer Biomarker, es nimmt auch an der Herausbildung des krankhaften Gefäßprozessestätig teil. Signifikant vermindern, respektive normalisieren, die Statin-Medikamente den erhöhten CRT-Serumspiegel. Bei den CHD-Kranken mit niedrigen CRP-Werten nach der Statin-Medikation wird die Zahl der vaskulären Geschehen wesentlich seltener und es trifft eine Zustandsbesserung ein.

Unterwirft man die Risikofaktoren der AMD (Zigarettenrauchen, erhöhter Blutdruck, Übergewicht bzw. Adipositas, erhöhte LDL-C-Serumcholesterin-Konzentration, LDL-Hypercholesterinaemie, gleichzeitig bestehende kardiovaskuläre Erkrankung) einer eingehenden gründlichen Analyse, stellt sich heraus, dass die schädigenden pathologischen Wirkungen dieser scheinbar im Wesentlichen unterschiedlichen Zustände mit der Induzierung eines oxidativen Stresses und der konsekutiven ED zu deuten sind (selbst die Risikofaktoren der kardiovaskulären Erkrankungen [CVD] sind mit oxidativem Stress verknüpft!). Die gefährdenden Faktoren der AMD (beispielsweise die Hypercholesterinaemie) stimulieren die AT1-Rezeptoren des Angiotensins-II (AT1R), und die Aktivierung des AT1R ruft Freisetzung von freien Sauerstoffradikalen (OS) und ED herbei. Die Wirkungen und die Auswirkungen der konsekutiven ED können mit einer ARB-, ACE-I- und Statin-Medikation bedeutend abgeschwächt, kupiert und sogar vorgebeugt werden.

Auf den vaskulären oxidativen Stress ist die Netzhaut infolge ihres erhöhten Gehaltes an mehrfach ungesättigten Fettsäuren und wegen dem beträchtlichen Sauerstoffverbrauch besonders empfindlich. Die konventionelle auf die Beseitigung des oxidativen Stresses angewandte Antioxidantien-Vitaminsupplementierung verwirklichte nicht die an sie geknüpften therapeutischen Hoffnungen: Die Antioxidantien-Vitamine beschränken sich bloß auf den Abtransport der schon entstandenen zelltoxischen Oxidationsprodukte, deswegen nimmt man dies eher als ein „symptomatisches” und kein „kausales”, die Integrität des Zellmitochondriums schützendes, Medikament an. Die klinische Entwicklung der „kausalen” Antioxidantien-Präparate mit intrazellularer Aktivität (SOD, Catalase-Mimetika, Protein-Kinase-Beta-Isoform, L-Proprionyl-Carnitine, Poly(ADP)ribose-Polymerase, Peroxynitrite-Katalytika-Inhibitoren) ist im Gange. Bis dahin verfügen wir über eine ausgezeichnete therapeutische Möglichkeit: Die ACE-I-Arzneien, die ARB-Präparate und die Statin-Medikamente sind die tatsächlich wirksamen „kausalen” Antioxidanzienarzneien.

Die ACE-Inhibitoren (ACE-I), die Angiotensin-II-Rezeptoren-Blocker (ARB) und die HMG-CoA-Reduktase-Hemmer (Statine) stellen in ED das geschädigte Gleichgewicht zwischen den Vasokonstriktoren und Vasodilatatoren, zwischen den Wachstumshormonen und seinen Hemmern (Verringerung der Neointimalbildung!), zwischen Proinflammatoren und Antiinflammatoren (Entzündungshemmung), sowie zwischen prothrombotischen und fibrinolytischen Faktoren her. Sie verhindern die Entwicklung der schädlichen Auswirkungen des oxidativen Stresszustandes und sie beugen sogar der Entfaltung des oxidativen Stresses vor; das Aspirin wirkt bei der Wiederherstellung des antiinflammatorischen Endothel-Ruhezustandes mit (es funktioniert nicht nur wie ein Thrombozyten-Antiaggregationsmittel): Die (möglichst simultane) Verabreichung der aufgezählten Medikamente (ACE-I-, ARB-, Statin-, Aspirin-Präparate) verhüten den Werdegang der funktionellen und strukturellen Veränderungen der Gefäße, oder sie mäßigen jene, falls diese schon entstanden sind. Eben darum sollte man denjenigen Patienten/Patientinnen andauernd ACE-I-, ARB-, Statin- und Aspirin-Arzneipräparate - als Teil einer präventiven medikamentösen Tätigkeit - verabreichen,

bei denen noch keine Augenerkrankungen festgestellt wurden, jedoch die Risikofaktoren der AMD vorliegen, bei denen die exsudative oder die geographische Form der AMD diagnostiziert wurde - um dem Mitschaden des anderen Auges vorzubeugen - und bei denen die exsudative oder die geographische Variante der AMD auf beiden Augen besteht - in der geringen Hoffnung des Besserwerdens und der Verhinderung der Verschlimmerung.

Naturgemäß müssen wir alles Mögliche tun, um die bekannten Risikofaktoren der AMD möglichst völlig zu eliminieren und die ED mit der Anwendung einfacher Maßnahmen (regelmäßige physische Aktivität!) verbessern zu können.

Um die Richtigkeit der erörterten therapeutischen Strategie nachweisen zu können, braucht man selbstverständlich die Durchführung einer randomisierten, prospektiven und multizentrischen klinischen Untersuchung. Immerhin darf man, falls keine Gegenanzeigen vorliegen, mit der geschilderten, fast nebenwirkungsfreien, primär- und/oder sekundärpräventiven medikamentösen Behandlung einstweilen anfangen. Bei der Inangriffnahme dieser Präventivmedikation denken wir daran, dass der beträchtliche Anteil (etwa 51 % über 50 Jahre) der AMD-Kranken ohnehin Hypertoniker sind oder an einer Dislipidaemie leiden.

Dr. Tamás Fischer

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Ungarn

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