Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2004; 30(11): 511
DOI: 10.1055/s-2004-860969
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ambulante Palliativmedizin

Gerhard Müller-Schwefe1
  • 1Präsident Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V.
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Publikationsdatum:
22. Dezember 2004 (online)

Alle Menschen müssen sterben - nur ich nicht...”, lautet das gelebte Credo der meisten Menschen. Nur kurz halten wir inne, wenn in unserer unmittelbaren Umgebung Menschen sterben, um dann erneut unseren Tagesgeschäften nachzugehen mit der inneren Überzeugung der Unsterblichkeit. Besonders betroffen macht es dabei, Menschen in ihrer Lebensendphase leiden zu sehen, sei es durch Tumor assoziierte Symptome wie Schmerz, Atemnot, Panik oder auch durch Begleitsymptome neurologischer oder anderer Erkrankungen.

Die Lebensendphase scheint für uns so unerträglich zu sein, dass in Deutschland 75 bis 80 % aller Menschen nicht in ihrer häuslichen Umgebung sterben können, sondern im Krankenhaus oder Pflegeheim - dabei wünschen sich 80 bis 90 % aller Menschen zuhause sterben zu können.

Euthanasiediskussion Ausdruck von Angst und Unkenntnis

Auf diesem Boden lässt sich die nicht abebbende Euthanasiediskussion in Deutschland verstehen. In einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (2002) gaben nur 35 % der Pflegenden und 73 % der Ärzte an, eine Legalisierung der Euthanasie abzulehnen. Mit zunehmendem Kenntnisstand über Möglichkeiten palliativmedizinischer Betreuung und Symptomkontrolle ändert sich dieser Prozentsatz dramatisch: unter den Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin lehnten 83 % der pflegenden Mitglieder und 90 % der Ärzte die Legalisierung der Euthanasie ab.

Bessere Ausbildung und die Gewissheit, Leiden bis ans Lebensende lindern zu können, verschieben hier offensichtlich die Perspektiven. Aus diesem Grund muss palliativmedizinische Kompetenz Bestandteil jeder klinischen Facharztausbildung sein.

Palliativmedizin ist auch besonders hausärztliche Aufgabe

Unter dem Aspekt des Wunsches bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten, ihre Lebensendphase in der häuslichen Umgebung zu erleben, kommt der palliativmedizinischen Kompetenz des Hausarztes besondere Bedeutung zu.

In diesem Heft Notfall & Hausarztmedizin haben kompetente Experten aus Klinik und Praxis für Sie wichtige Gesichtspunkte der Palliativmedizin beleuchtet, die von einer Übersicht über Stellenwert und Aufgaben der Palliativmedizin bis zu detaillierten Hilfestellungen zur Symptomenkontrolle in der Lebensendphase gehen.

Besondere Highlights sind der Beitrag von Stein Husebø über den Umgang mit Kindern in der Lebensendphase sowie das von Thomas Nolte, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V., beschriebene integrierte Versorgungskonzept der Palliativmedizin.

Nur wenn derartige Konzepte umgesetzt werden, kann ein ambulantes Netzwerk aus Hausarzt, Palliativcareteam und konsiliarischem Palliativmediziner die Lebensendphase für Patienten zufriedenstellend gestalten.

Ich wünsche Ihnen in diesem Heft viele Anregungen für Ihre praktische Arbeit!

Dr. med. Gerhard Müller-Schwefe

Präsident Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V.

Göppingen

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