Kasuistik: Ein 39-jähriger rollstuhlpflichtiger Patient mit Achondroplasie wurde konsiliarisch
mit akutem Visusverlust beidseits nach 2½-stündiger orthopädischer HWS-Operation vorgestellt.
Der Eingriff wurde in Bauchlage bei inkliniertem Kopf durchgeführt. Nach Erwachen
aus der Intubationsnarkose gab der Patient sofort den beidseitigen Visusverlust an.
Es bestand am rechten Auge ein fraglicher Lichtschein, am linken Auge nulla lux, funduskopisch
zeigte sich beidseits ein kirschroter Fleck als Hinweis auf einen frischen Zentralarterienverschluss.
Das kranielle MRT und CT zeigte keine zerebrale Ischämie oder Blutung. Eine systemische
Lyse konnte aufgrund der hohen Nachblutungsgefahr in das frische orthopädische Operationsgebiet
und der Gefahr der vitalen Bedrohung nicht durchgeführt werden. Aufgrund der dramatischen
Befundkonstellation mit beidseitiger Erblindung nach Elektiveingriff wurde der Entschluss
zur umgehenden, beidseitigen selektiven Lyse über die Karotiden gefasst. Auch unter
der Lyse konnte keine Besserung erzielt werden. Im Verlauf der weiteren augenärztlichen
Kontrollen kam es zur Optikusatrophie. Beidseits bestanden nicht perfundierte Zentralarterien.
Ursächlich kommen embolische Ereignisse (bei intaktem Ventrikelseptum jedoch unwahrscheinlich),
lagerungsbedingte Gefäßkompressionen (durch anatomische Abweichungen des knöchernen
Schädels bei Achondroplasie), direkte Bulbuskompressionen durch die Kopfstütze oder
arterielle Hypotonie unter der Narkose in Betracht. In der Literatur sind drei Fallbeschreibungen
von einseitigem Zentralarterienverschluss in ähnlichen Situationen beschrieben. Die
genaue Ursache dieses erschütternden Ereignisses wird nicht mit hinreichender Sicherheit
geklärt werden können.