Klin Monbl Augenheilkd 2004; 221 - D10
DOI: 10.1055/s-2004-835451

Beidseitige Amaurose nach HWS-Elektiveingriff

C Lüchtenberg 1, L Frisch 1, N Pfeiffer 1
  • 1Augenklinik der Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz

Kasuistik: Ein 39-jähriger rollstuhlpflichtiger Patient mit Achondroplasie wurde konsiliarisch mit akutem Visusverlust beidseits nach 2½-stündiger orthopädischer HWS-Operation vorgestellt. Der Eingriff wurde in Bauchlage bei inkliniertem Kopf durchgeführt. Nach Erwachen aus der Intubationsnarkose gab der Patient sofort den beidseitigen Visusverlust an. Es bestand am rechten Auge ein fraglicher Lichtschein, am linken Auge nulla lux, funduskopisch zeigte sich beidseits ein kirschroter Fleck als Hinweis auf einen frischen Zentralarterienverschluss. Das kranielle MRT und CT zeigte keine zerebrale Ischämie oder Blutung. Eine systemische Lyse konnte aufgrund der hohen Nachblutungsgefahr in das frische orthopädische Operationsgebiet und der Gefahr der vitalen Bedrohung nicht durchgeführt werden. Aufgrund der dramatischen Befundkonstellation mit beidseitiger Erblindung nach Elektiveingriff wurde der Entschluss zur umgehenden, beidseitigen selektiven Lyse über die Karotiden gefasst. Auch unter der Lyse konnte keine Besserung erzielt werden. Im Verlauf der weiteren augenärztlichen Kontrollen kam es zur Optikusatrophie. Beidseits bestanden nicht perfundierte Zentralarterien. Ursächlich kommen embolische Ereignisse (bei intaktem Ventrikelseptum jedoch unwahrscheinlich), lagerungsbedingte Gefäßkompressionen (durch anatomische Abweichungen des knöchernen Schädels bei Achondroplasie), direkte Bulbuskompressionen durch die Kopfstütze oder arterielle Hypotonie unter der Narkose in Betracht. In der Literatur sind drei Fallbeschreibungen von einseitigem Zentralarterienverschluss in ähnlichen Situationen beschrieben. Die genaue Ursache dieses erschütternden Ereignisses wird nicht mit hinreichender Sicherheit geklärt werden können.