Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2004; 30(7/08): B 386-B 387
DOI: 10.1055/s-2004-834470
Praxismanagement

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Probefrist in Gemeinschaftspraxis ausnahmsweise zulässig

Kündigung auch ohne wichtigen Grund
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Publikationsdatum:
23. September 2004 (online)

Gesellschafter einer Gemeinschaftspraxis dürfen grundsätzlich nicht ohne einen wichtigen Grund aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof allerdings eine Ausnahme zugelassen, damit die Gesellschafter innerhalb einer angemessenen Frist prüfen können, ob mit dem neuen Kollegen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist.

Der Bundesgerichtshof hatte einen Fall zu entscheiden, in dem eine Gemeinschaftspraxis seit 1978 von mehreren Ärzten betrieben wurde. 1991 nahmen sie einen weiteren Arzt in die Gemeinschaftspraxis als Neugesellschafter ohne Kapitalbeteiligung auf. Er wurde von den bestehenden Schulden der Gemeinschaftspraxis freigestellt und erhielt einen Gesellschaftsanteil von 4,1 % zur Ermittlung der Gewinn- und Verlustbeteiligung. Nach dem Vertrag konnte der Neugesellschafter aus der Gesellschaft auch ohne wichtigen Grund jederzeit ausgeschlossen werden. Nach zehn Jahren sollte er im Falle einer Veräußerung der Praxis einen Gewinnanteil in Höhe seiner Gewinnquote erhalten.

Im Jahre 2000 wollten die Altgesellschafter die Praxis veräußern und schlossen den Neugesellschafter aus der Gesellschaft aus. Die Klage des Neugesellschafters hatte in allen Instanzen Erfolg. Die Richter befanden, dass eine Ausschlussfrist von zehn Jahren ohne wichtigen Grund unangemessen und unwirksam sei. Insofern konnten die Altgesellschafter ihn nicht vom Erlös des anstehenden Praxisverkaufes ausschließen.

Der Bundesgerichtshof stellte jedoch auch fest, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, eine „Probefrist” des Gesellschaftsverhältnisses mit einem Neugesellschafter im Gemeinschaftspraxisvertrag aufzunehmen. Lediglich der Zeitraum der Frist muss angemessen sein. Die Ausnahme von dem Grundsatz, dass Gesellschafter nicht ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes ausgeschlossen werden können, sei insbesondere bei der Aufnahme eines neuen Gesellschafters in eine seit Jahren bestehende Gesellschaft von Freiberuflern geboten. Die Altgesellschafter einer Gemeinschaftspraxis dürfen dessen Gesellschafterstellung innerhalb einer angemessenen Prüfungszeit auch ohne Vorhandensein eines wichtigen Grundes einseitig beenden. Welcher Zeitraum als angemessen zu werten ist, ließen die Richter offen. Wie eine Probefrist vertraglich vereinbart werden kann, hat Rechtsanwalt Jörg Hohmann in seinem Buch1 mit umfangreichen rechtlichen und steuerlichen Erläuterungen dargestellt. Er empfiehlt, bei Aufnahme eines Neugesellschafters den Vertrag auf ein oder zwei Jahre zu befristen. In diesem Zeitraum können dann die Gesellschafter prüfen, ob sie den Vertrag dauerhaft verlängern wollen.

Quelle: MedizinRecht.de, Urteil des Bundesgerichtshofes vom 08.03.2004 - Az: II ZR 165/02

Literatur

  • 1 Der Gemeinschaftspraxisvertrag für Ärzte Teil 2 - Der Einstieg des „Junior-Arztes” in die Gemeinschaftspraxis. Frankfurt: MedizinRecht.de Verlag, ISBN 3-936844-04-6 108
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