Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P565
DOI: 10.1055/s-2004-833428

Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung (CMT 1A) mit zerebralen Demyelinisierungen und Optikusatrophie

A Linsa 1, A Herwig 1
  • 1(Cottbus)

Hereditäre motorisch-sensible Neuropathien (HMSN), synonym Charcot-Marie-Tooth-Diseases (CMT) stellen mit einer Prävalenz von 10–40/100.000 die häufigsten erblichen Erkrankungen des peripheren Nervensystems dar. Sie weisen sowohl klinisch als auch genetisch eine außerordentliche Heterogenität auf.

Als Ursache der CMT 1A ist eine Duplikation, seltener Punktmutation, des Genortes im Chromosom 17p11.2 bekannt. Dieser beinhaltet das PMP22-(peripheral myelin protein 22) Gen. Umfangreiche klinische Studien zeigten dabei in der Regel eine Übereinstimmung der Phänotypen mit der Originalbeschreibung der Erkrankung.

Wir stellen den Fall eines 37jährigen Mannes vor, bei dem eine molekulargenetisch gesicherte CMT 1A mit multiplen white matter lesions im cMRT und einer beiderseitigen Optikusatrophie verbunden war. Klinisch stand eine subakute Visusminderung des rechten Auges bei vorbestehender linksseitiger Amblyopie im Vordergrund. Der neurologische Untersuchungsbefund zeigte beiderseitige Hohlfüße, Atrophien der kleinen Hand- und Fußmuskulatur, symmetrische Zehenstreckerparesen und abgeschwächte Arm- bzw. fehlende Beineigenreflexe. Neurografisch bestand eine alle Nerven betreffende Verlangsamung der Leitgeschwindigkeiten (N. medianus – motorisch 29 m/s).

Hinweise für eine Komorbidität mit einer Erkrankung des Zentralnervensystems, die Marklagerdemyelinisierungen als auch Optikusatrophien erklären könnte, fanden sich nicht. Eine hinzu getretene Chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) mit zerebralen Demyelinisierungen und Optikopathie, erschien aufgrund einer Liquorhyperproteinose von 927mg/l denkbar, wenn auch die für die Diagnose obligaten motorischen bzw. sensiblen Defizite keine eindeutig zeitlich abgesetzte Entwicklung erkennen ließen. Eine Kortikoidbehandlung führte zu einer geringen Visusverbesserung.

Ein Phänotyp einer Duplikation im PMP22-Gen mit white matter lesions und Optikusatrophie wurde nach unserer Kenntnis bislang nicht beschrieben. Die Assoziation einer CMT 1A mit einer CIDP wurde dagegen bereits häufiger angetroffen als die Einzelprävalenzen erwarten lassen.