Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P487
DOI: 10.1055/s-2004-833348

Quantitative Sensorische Testung (QST) bei radikulärem Schmerzsyndrom nach lumbalem Bandscheibenvorfall

S Seddigh 1, J Groß 1, R Rolke 1, HU Gerbershagen 1, RD Treede 1
  • 1(Mainz)

Einleitung: Die Diagnostik des therapieresistenten radikulären Schmerzsyndroms infolge eines Bandscheibenvorfalls (NPP), insbesondere wenn sich die Frage der Operationsindikation stellt, umfasst als wichtigste Verfahren das EMG und die klinisch-neurologische Untersuchung. Wir führten die Quantitative Sensorische Testung (QST) zur Erfassung der Funktion sensorischer Nervenfasern und zur Klärung von Mechanismen einer veränderten Schmerzempfindlichkeit bei Patienten mit L5- und S1-Syndrom im Rahmen eine akuten Bandscheuibenvorfalls mit und ohne EMG-Veränderungen oder sensomotorischem Defizit durch.

Methodik: Untersucht wurden Patienten (n=20) mit einem radikulären Schmerzsyndrom im Segment L5 (n=10) oder S1 (n=10) bei NPP. Alle Patienten wurden mittels QST über dem Fuß im betroffenen Segment und kontralateral untersucht. Insgesamt wurden 13 QST-Parameter im Rahmen von thermischen und mechanischen Tests zur Bestimmung von Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen bestimmt. Es erfolgte ein EMG im M. ext. hall. lg. (L5) oder M. gastrocnemius (S1) je nach betroffener Wurzel sowie eine klinische Untersuchung.

Ergebnisse: EMG-Befund und sensomotorisches Defizit korrelierten nicht (r=0.12). Das Ausmaß der sensorischen Deafferenzierung in der QST zeigte in der ANOVA signifikante Interaktionen (p<0.05) mit der EMG-Pathologie, war aber nicht mit dem Neurostatus verknüpft. Die QST ergab über dem betroffenen Segment eine erhöhte mechanische Detektionsschwelle (von Frey-Filamente) und erniedrigte Schmerzempfindlichkeit in der SR-Funktion für Pinprick-Reize (ANOVA, p<0.05). Patienten mit pathologischem EMG zeigten signifikant häufiger paradoxe Hitzeempfindungen verglichen mit Patienten ohne EMG-Veränderungen (ANOVA, p=0.01).

Zusammenfassung: Als Mechanismus neuropathischer Schmerzen bei akutem Bandscheibenvorfall deckt die QST eine veränderte Schmerzempfindlichkeit bei Deafferenzierung auf. Patienten mit EMG-Veränderungen zeigten stets eine stärker ausgeprägte sensorische Deafferenzierung verglichen mit Patienten ohne EMG-Veränderungen. Die mechanische Detektionsschwelle und SR-Funktion für Pinprick-Reize waren die sensitivsten QST-Verfahren. Beide Tests zeigten eine subklinische sensorische Deafferenzierung auch bei Patienten ohne sensomotorisches Defizit in der klinischen Untersuchung. Im Seitenvergleich ergaben sich keine Hinweise auf eine periphere oder zentrale Sensibilisierung.