Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P384
DOI: 10.1055/s-2004-833246

Sinusthrombose beim Erwachsenen als Erstmanifestation einer Homocystinurie

AC Karow 1, A Schulze 1, M Daffertshofer 1
  • 1(Mannheim, Heidelberg)

Hintergrund: Die Homocystinurie ist eine gut charakterisierte, aber seltene Stoffwechselerkrankung, die häufig mittels Neugeborenen-Screening diagnostiziert wird. Thrombovaskuläre Ereignisse im jungen Alter sind die wichtigste Komplikation, meist in Form von Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien. Eine Erstmanifestation im Erwachsenenalter mit Sinusvenenthrombose (SVT) ist selten.

Fallbericht: Eine 27-jährige, 175cm große spanische Akademikerin kam zur Aufnahme mit einem generalisierten Krampfanfall. Zwei Tage vorher hatten heftige Kopfschmerzen eingesetzt. Bei Aufnahme zeigte sich eine Hemiparese links. MR-tomografisch wurde eine Thrombose des Sinus sagittalis superior mit frontalem Hirnödem diagnostiziert. Die Patientin wurde antikoaguliert und antiepileptisch behandelt. Sie erholte sich rasch bezüglich Kopfschmerzen und Hemiparese. Es traten keine weiteren Krampfanfälle auf. Bei der Suche nach Risikofaktoren fielen Antiphospholipid-Antikörper und ein mit 169 mikromol/l stark erhöhter Homocysteinspiegel (tHcy) auf. Es wurde zunächst ein Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom vermutet, das ursächlich für die SVT zu sein schien. Folat und Vitamin B12 wurden wegen des hohen tHcy substituiert. Nach einem Jahr unter Marcumar berichtete die Patientin über Knochenschmerzen an der Hüfte. In einer Knochendichtemessung wurde eine Osteoporose diagnostiziert, zusätzlich wurde eine beidseitige Ektopie der Augenlinsen erhoben. Antiphospholipid-Antikörper waren nicht mehr nachweisbar, jedoch war tHcy noch immer stark erhöht (209 mikromol/l). Die neue Verdachtsdiagnose Homocystinurie konnte durch Bestimmung der Aminosäuren mit Nachweis von Hypermethioninaemie und Cysteinmangel bestätigt werden. Die Genotypisierung zum Nachweis von Mutationen im Cystathionin-beta-Synthetase-Gen, dem Enzymdefekt bei der klassischen Homocystinurie, steht aus.

Diskussion: Die Homocystinurie ist ein bekanntermaßen mit thrombovaskulären Ereignissen einhergehendes, in der Pädiatrie gut, in der Neurologie aber wenig bekanntes Krankheitsbild. Die Manifestation im Erwachsenenalter durch eine SVT ist selten. Möglicherweise ist die Homocystinurie unterdiagnostiziert. Im Neugeborerenscreening wird sie nur unvollständig entdeckt. Unsere Patientin weist mit Linsenektopie, marfanoidem Habitus und Osteoporose phänotypische Merkmale der Erkrankung auf. Diese ist wirkungsvoll zu therapieren und sollte nicht übersehen werden.