Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P312
DOI: 10.1055/s-2004-833174

Ein Fall von Hashimoto-Enzephalopathie – Dilemma der Diagnosestellung

S Spannhorst 1, M Bonse 1, U Dietrich 1, D Dommasch 1
  • 1(Bielefeld)

Einleitung: Die Hashimoto-Enzephalopathie ist eine seltene Erkrankung des Großhirns unklarer Ätiologie bei Hashimoto-Tyreoiditis. Sie zeigt typischerweise ein gutes Ansprechen auf Steroide. Die klinische Manifestation ist sehr variabel. Aufrund des Fehlens einheitlicher Befunde handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose.

Fragestellung und Methode: Mittels Darlegung von Anamnese, klinischer und technischer Untersuchungsergebnisse sollte insbesondere die Diagnosestellung, zudem auch Therapie und Verlauf eines Falles von Hashimoto-Enzephalopathie dargestellt werden.

Ergebnisse:

Diagnosestellung: Patientin, 63 Jahre alt, vor 4 Monaten Diagnose einer Hashimoto-Thyreoiditis.

Seit 7 Monaten zunehmender Interessenverlust, Desorientierung, reduzierte Merkfähigkeit. Seit 2 Monaten fokale Anfälle, ein generalisierter Anfall.

Bei Aufnahme Mini-Mental-Status-Test (MMST): 14 von 30 Punkten, im Elektroenzephalogramm (EEG) generalisierte Theta- und Delta-Aktivität, im Magnetresonanztomogramm (MRT) bitemporale Hyperintensitäten.

Im Serum Titer anti-mikrosomaler Antikörper erhöht.

Umfangreiche Liquordiagnostik und Blutuntersuchungen mit regelrechten Befunden.

Diagnose einer Hashimoto-Enzephalopathie.

Verlauf: Status epilepticus, Durchbrechung mit Valproat, deutliche klinische Besserung unter Gabe von 1 Gramm Urbason pro Tag über 3 Tage.

Der weitere Verlauf ist der Tabelle zu entnehmen.

Monat nach Diagnosestellung

MRT-Befund

MMST

EEG-Befund

Therapie

0 (Zeitpunkt der Diagnosestellung)

Bitemporale Hyperintensität

14,5 von 30 Punkten

Vorherrschend Delta- und Theta-Aktivität

Prednison 100mg/d, nach 4 Wo. 50mg/d

4

Leichte Residuen im Hippocampus

26 von 30 Punkten

außer leichter Allgemeinveränderung regelrechter Befund

Prednison 40mg/d, Azathioprin 150mg/d

6

Bitemporal betonte Atrophie

20 von 30 Punkten

Allgemeinveränderung zunehmend

unverändert

Tabelle: Zeitlicher Verlauf der Erkrankung; mg/d=Angabe in Milligramm pro Tag.

Siehe auch die MRT-Bilder im Verlauf (Abbildung A-C: kraniales MRT zum Zeitpunkt der Siehe auch die MRT-Bilder im Verlauf (Abbildung A-C: kraniales MRT zum Zeitpunkt der Diagnosestellung (A), 4 Monate (B) sowie 6 Monate nach Diagnosestellung (C); die initiale hippocampale Hyperintensität (A) ist im Verlauf nicht mehr nachweisbar. Später (C) Aspekt einer temporal betonten Atrophie).

Es traten keine Anfälle mehr auf. Nach zunächst weiterer klinischer Besserung unter Steroiden und Azathioprin kam es im 6. Monat nach Diagnosestellung zu erneuter Verschlechterung mit Desorientierung, mnestischen Defiziten.

Schlussfolgerungen: Bei entsprechender Symptomatik muss an die Differentialdiagnose einer Hashimoto-Enzephalopathie gedacht werden. Aufgrund der uneinheitlichen Symptomatik und Befunde der bisher beschriebenen Fälle – insbesondere des Liquor- und MRT-Befundes – ergibt sich ein differentialdiagnostisches Dilemma. Dieses wird im vorliegenden Fall durch erneute klinische Verschlechterung unter zunächst vielversprechender Therapie verschärft.

Es bleibt unklar, ob der MRT-Befund im 6. Monat nach Diagnosestellung Hinweis auf eine andere Krankheitsentität ist. Eine differentialdiagnostische Abgrenzung erscheint auch anhand der Verlaufskontrollen des MRT nicht möglich.