Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P310
DOI: 10.1055/s-2004-833172

Familiäres Mittelmeerfieber und akute Polyneuritis: Guillain-Barré-Syndrom oder Colchizin-induzierte Neuromyopathie? Differentialdiagnostische Überlegungen

J Kukolja 1, R Sparing 1, C Kosinski 1
  • 1(Aachen)

Einführung: Familiäres Mittelmeerfieber (FMF) ist eine autosomal rezessiv vererbte Krankheit mit rezidivierenden Fieberschüben, Synovitis, Peritonitis und Pleuritis. Betroffen sind ethnische Gruppen aus Ländern des Mittelmeerraums und des Mittleren Ostens. Die Therapie besteht in lebenslanger Gabe des Mitose-Inhibitors Colchizin (CLZ). Im Rahmen des FMF wurde über cerebrale Vaskulitis, aseptische Meningitis und Optikusneuritis berichtet. Peripher-neurologische Manifestationen wurden nach unseren Kenntissen nicht beobachtet, jedoch sind schwere Neuromyopathien im Rahmen der CLZ-Therapie bekannt.

Der Fall: Wir berichten über einen 48jährigen Patienten, bei dem 2 Jahre zuvor die Diagnose eines Familiären Mittelmeerfiebers gestellt und genetisch gesichert worden war. Die Therapie mit CLZ hatte zur völligen Beschwerdefreiheit geführt. Der Patient stellte sich notfallmäßig wegen seit einigen Tagen zunehmenden Schluckstörungen und Schwäche der Extremitäten vor. 2–3 Wochen zuvor hatte er einen grippalen Infekt. Klinisch bot der Patient eine Dysphagie und eine leichtgradige Tetraparese mit ausgefallenen Muskeleigenreflexen. Mit an Armen und Beinen verzögerten distalen motorischen Latenzen, erniedrigten Muskelantwortpotentialen und ausgefallenen F-Wellen in der motorischen Neurographie und zytoalbuminärer Dissoziation im Liquor ergaben sich typische Hinweise auf ein GBS. Der Patient wurde mit Immunglobulinen behandelt, CLZ wurde zunächst pausiert. Trotzdem kam es zunächst zu einer Befundprogredienz bis zur mittelgradigen Tetraparese und bilateralen Fazialisparese. Die Symptomatik besserte sich innerhalb von 14 Tagen. Die CLZ-Therapie wurde wiederaufgenommen ohne eine erneute Verschlechterung der Symptome herbeizuführen.

Diskussion: Im vorliegenden Fall gingen wir von einem GBS in Assoziation mit FMF aus. Aufgrund der Elektrophysiologie, des Liquorbefundes und der von der CLZ-Gabe unabhängigen Symptomatik schied eine CLZ-induzierte Neuromyopathie aus. Obwohl ein zufälliges Zusammentreffen zweier ätiologisch unterschiedlicher Krankheitsbilder nicht ausgeschlossen werden kann, sehen wir eine Analogie zu anderen metabolisch-entündlichen Erkrankungen, wie z.B. akuter intermittierender Porphyrie, bei der GBS gehäuft vorkommt.