Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P305
DOI: 10.1055/s-2004-833167

Progressive Leukencephalopathie unter Alpha-Interferontherapie bei chronisch myeloischer Leukämie

W Dietrich 1, I Bär 1, PH Wünsch 1, F Erbguth 1
  • 1(Nürnberg)

Eine progressive Leukencephalopathie bei Patienten mit hämatologischer Grunderkrankung und Langzeittherapie mit rekombinantem Alpha-2-Interferon (IFN) kann differentialdiagnostische Schwierigkeiten aufwerfen. Wir berichten über eine 50-jährige Patientin mit einer 1997 diagnostizierten Chronischen myeloischen Leukämie (CML), die uns aufgrund einer im April 2003 aufgetretenen depressiven Entwicklung vorgestellt wurde. Bei unter Monotherapie mit IFN seit Mai 1998 erreichter hämatologischer und zytogenetischer Remission erfolgte aufgrund einer vermuteten IFN-Spättoxizität im April 2003 eine Umstellung auf Imitimap, nachdem es im Januar 2003 auch zur Entwicklung einer Sarkoidose gekommen war. Im Rahmen der neurologischen Vorstellung im Mai 2003 wurde über rasch progrediente Orientierungs- und Gedächtnisstörungen berichtet, klinisch fiel eine homonyme Hemianopsie nach links und eine Alexie auf. MR-tomographisch zeigten sich T2-hyperintense, flächig konfluierende Signalveränderungen beidseits parietooccipital und rechts frontal. Labor- und liquordiagnostisch ergab sich hinsichtlich einer infektiösen, paraneoplastischen, CML- oder Sarkoidose-assoziierten ZNS-Manifestation kein auffälliger Befund. Wir vermuteten eine zugrundeliegende IFN-induzierte Leukencephalopathie, gestützt nicht zuletzt auf die begleitend vorliegende Sarkoidose, welche im Zusammenhang mit einer Interferontherapie bereits mehrfach bei CML-Patienten beobachtet und im Sinne eines immunstimulierenden Prozesses diskutiert wurde. Entgegen der zu erwartenden Besserung kam es im Rahmen der Rehabilitation zu einer raschen Progredienz mit Hemiparese links und Psychosyndrom. MR-tomographisch griffen die Signalveränderungen auf die gesamte rechte Hemisphäre über. Bei weiterhin unauffälliger Labor- und Liquordiagnostik einschließlich negativer JC-Virus-PCR erfolgte eine offene Hirnbiopsie. Histologisch zeigte sich eine diffuse Leukencephalopathie ohne Sicherung eines slow-virus-Infektes. Erst die dritte Liquor-PCR-Diagnostik auf JC-Virus erbrachte ein positives Resultat. Aufgrund der Schwere der Erkrankung wurde zu diesem Zeitpunkt auf weitere Therapien verzichtet. Die Patientin verstarb 10 Tage später, eine Obduktion erfolgte auf Wunsch der Angehörigen nicht. Eine Progressive multifokale Leukencephalopathie in Assoziation mit einer CML ist eine Rarität. Zur Abgrenzung insbesondere zur IFN-induzierten Leukencephalopathie ist eine mehrfache JC-Virus-Diagnostik in jedem Fall nötig.