Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P234
DOI: 10.1055/s-2004-833097

Fatigue zum Zeitpunkt der Diagnosestellung und im frühen Verlauf der Multiplen Sklerose

C Engel 1, B Greim 1, UK Zettl 1
  • 1(Rostock)

Fragestellung: Bis zu 87% der Patienten mit Multipler Sklerose (MS) leiden unter Fatigue, einem Gefühl abnormer Ermüd- und Erschöpfbarkeit. Bei 55% ist es das schwerste Symptom der MS. Bisher konnte kein Zusammenhang zwischen Fatigue und Krankheitsdauer aufgezeigt werden. Diese Untersuchung betrachtet daher Fatigue, sowohl auf kognitiver und physischer, als auch auf subjektiver und objektiver Dimension, im frühen Verlauf der Erkrankung.

Methoden: Es wurde die objektive Leistung von 50 neudiagnostizierten MS-Patienten im Vigilanztest der Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung, und mittels des Vigorimeters (prozentualer Abfall der Handschlusskraft) und die subjektiven Angaben zur Fatigue auf der kognitiven und physischen Subskala der modifizierten Fatigue Impact Scale (MFIS) mit denen von 33 nach Alter, Geschlecht und Bildung gematchten Kontrollpersonen verglichen. Die Tests wurden nach 12 und maximal 36 Monaten mit den Patienten erneut durchgeführt. Physische Beeinträchtigung (EDSS) und Depressivität (BDI) wurden als Kontrollvariablen eingeführt.

Ergebnisse: Die Patienten, 41 Frauen und 9 Männer, waren im Mittel 35 Jahre alt, hatten einen mittleren EDSS-Score von 1,8. 92% zeigten einen schubförmig-remittierenden Verlauf.

Über Fatigue berichteten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung 63,3% der Patienten. Sie unterschieden sich signifikant von den Kontrollpersonen in den Auslassfehlern des Vigilanztests und auf der physischen Subskala der MFIS.

Nach 12 Monaten blieb die allgemeine Fatigue-Häufigkeit unverändert, wobei die Symptomatik etwa bei zwei Drittel stabil blieb und sich bei einem Drittel der Patienten entweder verbesserte oder verschlechterte. Nach 36 Monaten berichteten nur noch 50,0% der Patienten über Fatigue. Diese Verbesserung zeigte sich nur in den subjektiven, nicht aber in den objektiven Parametern.

Der BDI der MS-Patienten korrelierte signifikant mit den subjektiven Angaben zur Fatigue (MFIS). Der EDSS zeigt einen Zusammenhang zu den objektiven Fatigue-Parametern.

Schlussfolgerungen: Die gefundene Auftretenswahrscheinlichkeit von Fatigue liegt bei neudiagnostizierten MS-Patienten höher als die bisher berichtete. Anfangs verläuft die Symptomatik stabil, wird aber von den Patienten subjektiv nicht mehr so stark wahrgenommen. Multidimensionale Fatigue-Diagnostik ist also bereits kurz nach der Diagnosestellung wichtig für die symptomatische Differentialtherapie.