Aktuelle Neurologie 2004; 31 - P204
DOI: 10.1055/s-2004-833067

Isolierte und partiell reversible Leukoenzephalopathie bei Vitamin B12-Mangel

MS Vry 1, K Haerter 1, O Kastrup 1, E Gizewski 1, M Frings 1, M Maschke 1
  • 1(Essen)

Einleitung: Die neurologischen Manifestationen eines Vitamin B12 Mangels beinhalten in der Regel funikuläre Myelose, peripherere Neuropathie und in einigen Fällen Pyramidenbahnläsionen und psychiatrischen Erkrankungen.

Fallbericht: Eine 39-jährige Patientin, langjährig wegen Schizophrenie mit prädominanter Negativsymptomatik in psychiatrischer Behandlung, entwickelte innerhalb von 2 Wochen eine Gangstörung, ungerichteten Schwindel und Missempfindungen der Hände. Der Aufnahmebefund beinhaltete eine Paraparese, bilateral positiven Palmomentalreflex, verminderte Beineigenreflexe bei positivem Babinski-Zeichen, ein breitbasiges Stand- und Gangbild mit positivem Romberg-Test sowie eine Pallhypästhesie der unteren Extremitäten ohne weitere Sensibilitätsstörungen. Das Labor ergab ein erniedrigtes Serum-Cobalamin (114 pmol/l, Normalwert: 145–637 pmol/l) und erhöhtes MCV (104 fl, Normalwert: 80–96). Ein Schilling-Test zeigte eine normale Vitamin B12-Resorption. Antikörper gegen Intrinsic Factor und Parietalzellen waren negativ. Die Liquoranalyse ergab bei normaler Zellzahl ein stark erhöhtes Protein (175mg/dl) bei erhöhtem Liquor/Serum Albumin Quotienten. SEPs des N.tibialis ergaben eine minimal verzögerte P40-Latenz, die Medianus-SEP waren unauffällig. Die Neurographie von N. tibialis, N. peronaeus und N. suralis ergab unauffällige Befunde. Die transkranielle Magnetstimulation zeigte deutlich verlängerte zentral motorische Latenzen zu allen Extremitäten. Im cranialen MRT stellte sich eine ausgedehnte symmetrische paraventrikuläre Leukoenzephalopathie unter Aussparung der U-Fasern auf T2- und FLAIR-Sequenzen dar. Ein spinales MRT war unauffällig.

Wir begannen probatorisch eine Substitution von täglich Cytobion 1000mg s.c und Folat 10mg p.o. als einzige Therapie. Nach 3 Wochen zeigte sich eine signifikante Verminderung der Paraparese, und der Gang wurde sicherer. Analog wies ein erneutes kranielles MRT nach 4 Monaten der Behandlung eine deutliche Regression der Leukoenzephalopathie nach.

Zusammenfassung: Bei diesem Fall von Vitamin B12 Mangel entwickelte sich eine ausgeprägte Leukoenzephalopathie auch ohne neurophysiologisch messbare Beteiligung von peripheren Nerven oder Myelon. Daher muss auch bei dem Befund einer isolierte Leukoenzephalopathie ein Vitamin B12 Mangel in Betracht gezogen werden, zumal eine rasche Substitutionstherapie, wie dieser Fall zeigt, zu positiven Therapieergebnissen führen kann.

Abb. 1: Obere Reihe: T2 FLAIR vor Vit. B12-Substitution Untere Reihe: T2 FLAIR 4 Monate nach Therapiebeginn