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DOI: 10.1055/s-2004-832957
Dissoziation kortikaler und subkortikaler Verarbeitung eines aversiven visuellen Stimulus bei partieller Rindenblindheit
Experimentelle Befunde deuten darauf hin, dass emotionale visuelle Stimuli auf zwei unterschiedliche Arten verarbeitet werden: über eine subkortikale visuelle Bahn durch die Vierhügelplatte zum Mandelkern und über eine kortikale Bahn durch primäre visuelle Areale. Da visuelle Stimuli bei Gesunden beide Bahnen gleichzeitig aktivieren, lassen sich die beiden Arten der Verarbeitung schlecht trennen. Bei Patienten mit unilateralen Läsionen des primären visuellen Kortex werden visuelle Stimuli im betroffenen Teil des Gesichtsfeldes dagegen ausschließlich über die tectale Bahn verarbeitet, während im nicht betroffenen Teil des Gesichtsfeldes beide Bahnen intakt sind. Durch geschickte Versuchsanordnung sollte es daher bei diesen Patienten möglich sein, die beiden Verarbeitungswege neuroanatomisch und funktionell zu trennen.
In der vorliegenden Arbeit wurde einer Gruppe von acht Patienten während funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) ein visueller Stimulus abwechselnd im beeinträchtigten und intakten Bereich ihres Gesichtsfeldes gezeigt. Die Hälfte der visuellen Stimulationen endete mit einem aversiven auditiven Reiz. Dabei ging dem aversiven Reiz immer eine Stimulation der tectalen Bahn voran, jedoch nur in der Hälfte der Fälle eine visuelle Stimulation über die intakte Sehrinde, so dass der visuelle Stimulus über die tectale Bahn zuverlässig den aversiven Reiz signalisierte, während die kortikale Präsentation des visuellen Stimulus nicht überzufällig häufig mit dem aversiven Reiz assoziiert war.
Im Verlauf der sich etablierenden Paarung reagierten die Patienten auf den visuellen Stimulus mit einem verstärkten Schreckreflex. Als negativ beurteilt wurde der visuelle Stimulus dagegen nur, wenn er ausschließlich über die tectale Bahn verarbeitet wurde. Im intakten Bereich ihres Gesichtsfeldes beurteilten die Patienten den Stimulus als neutral oder leicht positiv. Die positive Beurteilung des visuellen Stimulus im intakten Gesichtsfeldbereich ging mit einer Aktivierung rechts inferiorer temporaler und links lateraler frontaler Areale einher (Abb. 1), denen eine Bedeutung bei der sensorischen beziehungsweise kognitiven Verarbeitung emotionaler visueller Informationen zugeschrieben wird. Die vorgestellten Daten belegen die Existenz zweier Pfade bei der Analyse emotionaler visueller Informationen.
Abb. 1: Kortikale Verarbeitung emotionaler visueller Stimuli Stimulation im gesamten Gesichtsfeld vs. Stimulation im betroffenen Gesichtsfeld