Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2004; 30(5): B 227
DOI: 10.1055/s-2004-829828
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Vom Hochdruck zum Schlaganfall

Matthias Leschke1
  • 1Esslingen
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Publication Date:
29 June 2004 (online)

Nach aktuellen Untersuchungen beträgt die Prävalenz der Hypertonie bei den über 50-Jährigen in den USA nur 28 %, wohingegen in Deutschland die Prävalenz mit 55 % nahezu doppelt so hoch ist. Während es in den 30er Jahren aus medizinischer Sicht als unsinnig beurteilt wurde, erhöhte Blutdruckwerte zu senken, wurden in den letzten 30 Jahren systematisch die Zusammenhänge zwischen Hochdruck und kardiovaskulären Erkrankungen - insbesondere einer erhöhten Schlaganfallgefahr - herausgearbeitet.

In den 70er Jahren wurde ein Blutdruck erst ab 175/95 mmHg als behandlungspflichtig bei einem über 60-Jährigen angesehen. Nach aktuellen Erhebungen stellen Blutdruckwerte über 140/90 mmHg bei 46 % der Internisten, aber nur 32 % der Allgemeinmediziner und 27 % der Praktischen Ärzte eine Indikation zur antihypertensiven Therapie dar. Schließlich wird in den neuen US-Leitlinien (JNC7) bei Blutdruckwerten von 120-139 mmHg systolisch von einem prähypertensiven Stadium gesprochen, da ein mindestens zweifach erhöhtes Risiko besteht, später einen manifesten Hochdruck zu entwickeln. Bei Vorliegen von kardiovaskulären Risikofaktoren und Arteriosklerose-Manifestationen werden in diesem Stadium medikamentöse Therapiemaßnamen gefordert.

In allen großen Hypertonie-Studien konnte gezeigt werden, dass Hypertoniker mehr Schlaganfälle als Myokardinfarkte entwickeln. Interessanterweise liegt bei über 50-Jährigen eine überwiegend systolische arterielle Hypertonie vor, bei über 70-Jährigen dagegen nahezu ausschließlich eine isolierte systolische Hypertonie, die besonders zur erhöhten Schlaganfallgefahr prädisponiert. In Folge der teilweise altersabhängigen vaskulären Veränderungen nimmt die Steifigkeit der großen Arterien zu, die Dehnbarkeit und die Windkesselfunktion deutlich ab. Dadurch resultiert eine zunehmende Pulswellengeschwindigkeit, aber auch eine Zunahme des Pulsdruckes. Aus vielen Hypertonie-Interventionsstudien konnte gezeigt werden, dass eine Blutdrucksenkung systolisch von 10-12 mmHg und diastolisch von 5-6 mmHg die Schlaganfallrate um zirka 42 % senkt. Im differentialtherapeutischen Vergleich verschiedener Antihypertensiva haben sich insbesondere ACE-Hemmer, Kalziumantagonisten und Sartane als besonders vorteilhaft herausgestellt, den systolischen Blutdruck - aber auch den Pulse Pressure - stärker als Diuretika, Alphablocker und Betablocker abzusenken. So gilt eine Blutdruckamplitude (Pulse Pressure) über 65 mmHg als zerebro- und kardiovaskulärer Risikofaktor. Aktuelle Studien (unter anderem LIFE-Studie) zeigen, dass die ACE-Hemmer und AT1-Blocker besonders effektiv in der Reduktion des Schlaganfallrisikos sind, da sie bei vergleichbarer Blutdrucksenkung - wie beispielsweise Betablocker - wesentlich mehr Schlaganfälle verhindern können. Darüber hinaus zeigen neue Studiendaten (ACCESS-Studie), dass der Einsatz von AT1-Blockern - in diesem Fall Candesartan - bei vergleichbarer Blutdrucksenkung und frühzeitiger Therapie - im Mittel 30 Stunden nach einem akuten zerebralen Insult - während der einjährigen Beobachtungsperiode zu einer Senkung der kardio- und zerebrovaskulären Ereignisrate geführt hat. Dementsprechend sollen bei Vorliegen einer linksventrikulären Hypertrophie, einer Nephropathie sowie einer Insulinresistenz vorzugsweise ACE-Hemmer und AT1-Blocker eingesetzt werden.

Prof. Dr. med. Matthias Leschke

Esslingen

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