Aktuelle Dermatologie 2005; 31(5): 244-246
DOI: 10.1055/s-2004-826215
Kleine Kulturgeschichte der Haut
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vom Ursprung des Schindens in Assyrien

On the Origin of Flaying in AssyriaE.  G.  Jung
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Publication Date:
25 May 2005 (online)

Schinden wird in der griechischen Mythologie und der christlichen Legendenbildung ausschließlich als Strafe gehandhabt und in der Kunst als etwas Schreckliches dargestellt [1].

Die Kulturen Mesoamerikas aber kannten auch Menschenhäutungen als Opfer an die Götter, insbesondere dem Gott Xipe Totec (der sich häutet, unser Herr), welcher die abgezogene Haut eines Opfers über seinem Körper trug [2]. Die ältesten Dokumentationen zum Schinden als Strafe stammen aber aus Mesopotamien mit Ausstrahlung in den persischen Raum, wobei neben der individuellen Strafe auch Abschreckung, Warnung und zudem rituelle Effekte zur Vernichtung gegnerischer Gruppen und Ausmerzung deren Gedankengüter erstrebt werden.

Im ersten Jahrtausend v. Chr. hat sich in Mesopotamien die Verfahrensweise mit Gegnern und Verrätern gegenüber den zwei dokumentierten Jahrtausenden zuvor deutlich verschärft. Dies geschah offenbar durch die Assyrer im Laufe der immer wiederkehrenden Kriege mit wechselndem Kriegsglück. Auf alle Fälle zeigt die betonte Dokumentation in Bild und Text eine wesentliche Bedeutungszunahme [3]. Die Todesstrafe wird teilweise protrahiert, es werden Folterungen, Verstümmelungen und Abhäuten durch Schinden vorangestellt und rituelle Zerstückelungen der Leichen angeschlossen.

Besonders gut dokumentiert ist dies anhand des berühmten Reliefs der Schlacht am Ulai-Fluss 653 v. Chr., in welcher der Assyrische König Assurpanibal (661 - 631 v. Chr.) die Elamiter schlug, deren König Te-umman gefangen nahm, enthaupten lies und den Kopf im Triumph heim führte. Im Nord-Palast zu Ninive ist dies drastisch verewigt. Dem Schlachtgetümmel sind diese Geschehen zugeordnet. Gegner werden abgeschlachtet, Frauen und Kinder in Gefangenschaft abgeführt, Gefangene werden erschlagen, andere gepfählt. Und es ist durch Inschrift verewigt: „Den Leuten, die sich schuldig gemacht haben (Abtrünnige und Verräter sind gemeint), legte ich eine schwere Strafe auf. Ihre Gesichtszüge verstümmelte ich, ihre Häute zog ich ab, ich zerstückelte ihr Fleisch” [4]. Und das Abhäuten ist im Flachrelief dargestellt (Abb. [1]): „Ich schnitt ihnen die Zunge heraus (unten rechts) und zog ihnen die Haut ab.” Assyrische Soldaten haben zwei Elamiter an Händen und Füssen gefesselt, gestreckt und sie lösen mit Messern die Haut ab. Der eine beginnt an den Beinen, wo die schon gelöste Haut „wie aufgeschnittene Stiefel” abhängt, und der andere beginnt sein Werk am Rumpf. Vorgegangen wird also ähnlich wie beim Abbalgen der Tiere.

Abb. 1 Assyrische Soldaten schinden zwei Elamiter und rechts unten wird einem solchen die Zunge herausgeschnitten. Detail aus der Darstellung der Schlacht am Ulai-Fluss 653 v. Chr. im königlichen Nord-Palast zu Ninive, Aufnahme Nr. 152 aus [4].

Es gibt aber auch frühere Dokumente. Im Südwest-Palast zu Ninive werden Taten von König Sanherib (704 - 681 v. Chr., auch Sennacherib), dem Großvater von Asurpanibal, dargestellt, insbesondere die Belagerung und Eroberung der Stadt Lachisch. Auch hier gepfählte Gefangene und Abgesandte des König Hiskia von Juda als Bittsteller und andere gefesselt [4]. Auch hier sind sie an Händen und Füssen angebunden, gestreckt und assyrische Soldaten beginnen mit der Abhäutung an den Unterschenkeln (Abb. [2]). Die Deutung des Geschehens als Auspeitschung ist weniger wahrscheinlich. Diese Kriege finden sich auch in der Bibel dargestellt, wobei eine glückliche Kriegswendung vor Jerusalem infolge Dezimierung der assyrischen Belagerungsarmee durch Engelshand (wahrscheinlich eine Seuche) auf Fürbitte des Propheten Jesaia im Zentrum steht (2. Chr, 32 : 20 - 22, 2. Kön. 18 : 13 - 20 und Jesaia 36 - 39). Ähnliche Formulierungen erscheinen auch im Deuteronomium der Bibel in den Gesetzen über den Gottesdienst und den Kriegsgesetzen (5. Mos. 12.2 f; 13.6 - 11; 20. 16 f).

Abb. 2 Assyrische Soldaten beginnen an den Unterschenkeln mit der Häutung von zwei gestreckt gefesselten hebräischen Abgesandten. Detail aus der Darstellung im königlichen Südwest-Palast zu Ninive, Aufnahme Nr. 81 aus [4].

Aber schon das Corpus der Inschriften von König Assurnasirpal II (883 - 859 v, Chr.) enthält in beängstigender Häufung scheußliche Strafgerichte: Abschlagen von Gliedmaßen, Ohren und Nasen, und auch Blenden. Gefangene werden gepfählt oder verbrannt. Dazu kommt das Schinden der Gegner, deren Häute auf Pfählen oder über die Stadtmauer und deren Tore gebreitet, zur Abschreckung und Warnung an Einwohner wie Besucher dienen. Denn es steht geschrieben [5] [6]: „Ich habe eine Säule errichtet gegenüber dem Stadttor und alle revoltierende Anführer geschunden (kasu, abgehäutet, to flay), die Häute habe ich um die Säule gewunden und auf Pfähle gespießt. Solche stellte ich in großer Zahl bis an die Grenzen meines Landes auf. Den abtrünnigen königlichen Offizieren ließ ich die Gliedmaßen abtrennen, ich ließ sie schinden und spannte die Häute an die Stadtmauer. Den Anführer fing ich lebend, brachte ihn nach Ninive, ließ ihn dort schinden und seine Haut an unsere Stadtmauer spannen. Die Anführer der eroberten Städte ließ ich schinden und ihre Häute an die Mauern spannen, die Gefangenen wurden mit dem Schwert getötet und zu Haufen geschichtet, die Knaben und Mädchen wurden verbrannt” [7]. Und so geht es weiter, immer weiter.

Literatur

Prof. Dr. med. Ernst G. Jung

Maulneerweg 20 · 69120 Heidelberg

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