Endoskopie heute 2004; 17 - V6
DOI: 10.1055/s-2004-820591

Vom getrübten Blick zur (un)klaren Diagnose

M Krüger 1, J Behrends 1, F Länger 1, A Schneider 1, MP Manns 1, PN Meier 1
  • 1Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover

Fallbericht: Eine 68-jährige Patientin stellte sich wegen vorübergehendem Visusverlust in unserer Klinik vor. Die opthalmologische Untersuchung war unauffällig. Bei der körperlichen Untersuchung fanden sich deutlich vergrößerte Lymphknoten (bis 2cm) axillär und supraclaviculär links. Im Labor fand sich eine deutliche Anämie (Hb 8.8g/dl). Die histologische Beurteilung des chirurgisch entfernten linksaxillären Lymphknoten zeigte eine Infiltration durch ein niedrig-differenziertes Siegelringzell-Karzinom. Im Rahmen der Primärtumorsuche wurde eine obere Intestinoskopie durchgeführt, die neben einer großen axialen Hiatushernie eine leicht verminderten Entfaltung des Magenkorpus zeigte, die jedoch wegen endoskopisch unauffälliger Schleimhaut nicht biopsiert wurde. In der anschließend durchgeführten Koloskopie fand sich im Zökalpol eine ca. 4mm messende, leicht erhabene polypoide Schleimhautveränderung, welche bioptisch keinen Nachweis atypischer Zellen zeigte. Unmittelbar in der Öffnung des Appendix fand sich eine zweite polypoide Veränderung mit unauffälliger mukosaler Oberfläche. In der histologischen Aufarbeitung fanden sich Anteile eines siegelringzellhaltigen Adenokarzinoms geringer Differenzierung. Verschiedene immunohistochemische Analysen erlaubten, den Befund der Axilla und des Appendix als Metastasen zu identifizieren. Eine erneute obere Intestinoskopie mit Biopsien aus Antrum, Korpus und Fundus zeigte ein niedrig-differenziertes Siegelringzell-Karzinom in der Mehrzahl der aus dem Korpus entnommenen Biopsien. Aufgrund des immunhistochemischen Färbeverhaltens der Tumorinfiltrate (positiv: Pan-Cytokeratin (AE1/3), Cytokeratin 7, Östrogenrezeptor, HMFG-2; negativ: Progesteronrezeptor, TTF-1, Surfactant) scheint am ehesten ein Primarius im Bereich von Magen bzw. Brustdrüse vorzuliegen. Die Patientin verweigert gegenwärtig weitere diagnostische oder therapeutische Massnahmen und befindet sich derzeit in einem klinisch stabilen Zustand. Schlussfolgerung: Der vorliegende Fall unterstreicht die Notwendigkeit, auch Polypen im Appendix-Bereich bioptisch abzuklären, da sich hier nicht nur ein primäres Adenokarzinom des Appendix, sondern auch eine metastasierende Tumorerkrankung manifestieren kann. Zusätzlich sollte bei der Suche nach einem Primärtumor die Entnahme von Biopsien auch bei endoskopisch unauffälligem Schleimhautbefund erwogen werden.