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DOI: 10.1055/s-2004-820173
Kataraktoperation am refraktiv-operierten Patienten
Hintergrund: Patienten nach refraktiver Chirurgie sind meist hoch anspruchsvoll und wollen in der Regel nach einer darauffolgenden Kataraktoperation wieder emmetrop sein. In den letzten Jahren gab es immer wieder Berichte über die Fehlbestimmung der Kunstlinsenstärke oder gar die Notwendigkeit eines Kunstlinsenaustausches wegen Hyperopie und/oder Anisometropie bei Kataraktoperation nach RK, myoper PRK oder LASIK.
Ursachen für die Fehlbestimmung der Kunstlinsenstärke nach refraktiver Chirurgie: Es gibt derzeit keinen Anhalt dafür, dass optisch oder mittels Ultraschall die Achsenlänge nach refraktiver Hornhautchirurgie falsch gemessen würde. Dagegen stellt die zentrale Hornhautbrechkraft den kritischen Parameter in der Kunstlinsenberechnungsformel nach refraktiver Chirurgie dar. Mit den gängigen Methoden der Keratometrie oder der Topographieanalyse wird nur die Vorderfläche vermessen. Allerdings geht in die Gesamtbrechkraft der Hornhaut auch die Rückfläche ein. Bei der RK scheint eine falsche Messung des Krümmungsradius der Vorderfläche im Vordergrund zu stehen, während bei der PRK und der LASIK eine falsche Berechnung der Brechkraft aus weitgehend richtig gemessenem Krümmungsradius der Vorderfläche kausal zu dominieren scheint. Letzteres liegt an der konventionellen Berechnung der Gesamtbrechkraft mittels einer paraxialen Formel aus dem Vorderflächenradius unter Verwendung eines effektiven refraktiven Index beispielsweise auf der Basis des Gullstrandschen Modellauges (Brechkraft [D]=(n –1,000) ÷ Vorderradius [m]). Diese direkte Umrechnung ist unzulässig nach PRK und LASIK.
Verbesserung der Kunstlinsenberechnung nach refraktiver Chirurgie in der Praxis: Zunächst sollte man sicher stellen, dass der Patient realistische Erwartungen hat und ihn detailliert aufklären wie einen „typischen“ refraktiv-chirurgischen Patienten mit hohen Ansprüchen. Man sollte eine stabile Refraktion zugrunde legen, und zwar bevor etwa eine lentogene Myopisierung durch eine Kernkatarakt eingetreten ist. Soll der Patient nach der Kataraktoperation emmetrop sein, so ist es möglicherweise sinnvoller, rein rechnerisch auf –1 D zu zielen, um den Patienten keinesfalls hyperop zu lassen. Wenn immer möglich sollte nach jeder Form eines refraktiven Eingriffs an der Hornhaut die Anamnese-Methode unter Berücksichtigung der Änderung des sphärischen Äquivalentes gewählt werden. Besonders bei höheren refraktiven Korrekturen ist es unerlässlich, diese Änderung nicht auf Brillenebene sondern auf Hornhautscheitelebene zu berechnen. Dies setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Kataraktoperation Keratometrie und Refraktion vor dem refraktiven Eingriff bekannt sind. Wenn die Refraktion, nicht jedoch die Keratometrie vor refraktiver Chirurgie bekannt ist, können 24% der Änderung des sphärischen Äquivalents auf Brillenebene vom postoperativ gemessenen Keratometriewert abgezogen werden. Wenn die Keratometrie vor einer RK nicht bekannt ist, kann die „Average Central Power“, d.h. die Mittelung der Brechkräfte über der Eintrittspupille, oder der Mittelwert multipler, mit dem Cursor bestimmter (para-)zentraler Brechkraftwerte benutzt werden. Das relative Niveau zwischen Topographie und Keratometrie ist hierbei individuell zu berücksichtigen. Insbesondere sollte kein früher Kunstlinsenaustausch nach RK erwogen werden, weil bekannt ist, dass es in den ersten Tagen durch Schwellungseffekte im Bereich der ehemaligen Inzisionen zu einer weitgehend reversiblen übermäßigen Abflachung der Hornhaut im Zentrum mit einer Refraktion von bis zu +4 D kommen kann. Wenn keine Angaben über Refraktion und Keratometrie vor einer PRK oder LASIK vorliegen, sollte die Rückflächenkrümmung für die Berechnung der Gesamtbrechkraft herangezogen werden. Die große interindividuelle Schwankung dieser Brechkraftwerte um einen Mittelwert von –6,2 D ist hierbei zu berücksichtigen. Die so gewonnenen indirekten Brechkraftwerte sollten in möglichst mehrere theoretisch-optische Formeln (z.B. Haigis oder Hoffer Q) – nicht jedoch in die SRK-II-Formel – eingesetzt werden. Generell sollte es heute Sitte sein, dass der refraktive Chirurg seinem Patienten einen Refraktionspass in die Hand gibt, auf dem zumindest die Keratometrie und Refraktion vor sowie die Refraktion zu einem stabilen Zeitpunkt nach dem refraktiven Eingriff aufgeführt sind.