Gesundheitswesen 2004; 66(8/09): 536-544
DOI: 10.1055/s-2004-813482
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gefährdungsabschätzung von Bodenverunreinigungen in einem belasteten Wohngebiet: Bedeutung und Funktion des Human-Biomonitoring - ein Fallbeispiel

Risk Assessment of Soil Contamination in a Residential Area: The Importance and Role of Human Biological Monitoring - a Case ReportU. Ewers1 , D. Boening2 , J. Albrecht3 , R. Rädel3 , G. Peter4 , T. Uthoff4
  • 1Hygiene-Institut des Ruhrgebiets, Abteilung für Umweltmedizin und Umwelttoxikologie, Gelsenkirchen
  • 2GeoSystem - Gesellschaft für konzeptionelle Umweltgeologie mbH, Kiel
  • 3Landkreis Harburg, Gesundheitsamt, Winsen (Luhe)
  • 4Landkreis Harburg, Abteilung Boden/Luft/Wasser, Winsen (Luhe)
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Publication Date:
16 September 2004 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund und Fragestellung: In einem am Ufer der Elbe gelegenen Wohngebiet im Landkreis Harburg wurden hohe Konzentrationen von Arsen, Schwermetallen und polychlorierten Dibenzodioxinen und Dibenzofuranen (PCDD/PCDF) im Boden festgestellt. Ursache der Bodenbelastungen sind frühere Sand- und Schlickaufspülungen aus der Elbe und aus dem Hamburger Hafen. Da die für Wohngebiete geltenden Maßnahmen- und Prüfwerte der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung zum Teil erheblich überschritten wurden, wurde im Rahmen der Gefährdungsabschätzung ein Human-Biomonitoring bei ausgewählten Anwohnern durchgeführt. Ziel der Untersuchungen war die Klärung der Frage, ob bei den Anwohnern erhöhte und aus toxikologischer Sicht bedenkliche Schadstoffkonzentrationen im Blut bzw. Urin vorkommen, die umfangreiche Sanierungs- und Sicherungsmaßnahmen erforderlich machen würden. Ergebnisse: Bei den untersuchten Anwohnern (n = 29) konnten keine erhöhten Konzentrationen von Blei und PCDD/PCDF im Blut und keine erhöhten Konzentrationen von Arsen, Kadmium und Quecksilber im Urin nachgewiesen werden. Die Einzelwerte lagen durchgängig im Bereich der Hintergrundbelastung. Zusammenhänge zwischen Bodenbelastung und intrakorporaler Schadstoffbelastung waren trotz der z. T. massiven Bodenbelastungen im Bereich der Grundstücke nicht nachweisbar. Schlussfolgerungen: (1) Aufgrund der Ergebnisse der hier berichteten Untersuchungen wurde im Einvernehmen mit den Betroffenen auf eine aufwändige und kostenintensive Bodensanierung verzichtet. Im Sinne der Vorsorge wurden den Anwohnern einfache Hygiene- und Verhaltsmaßnahmen empfohlen. (2) Bei bewohnten Altlasten stellt das Human-Biomonitoring ein wesentliches Element der gesundheitsbezogenen Gefährungsabschätzung dar. Es sollte daher bei entsprechenden Fallsituationen obligat sein. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass Entscheidungen über aufwändige Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechend getroffen und umgesetzt werden.

Abstract

Background and purpose: High levels of arsenic, cadmium, mercury and polychlori-nated dibenzodioxins and dibenzofuranes (PCDD/PCDF) were detected in the soil of a residential area located at the river Elbe near Hamburg (Germany). Soil contamination resulted from sediments from the Hamburg harbour and from the Elbe that were deposited in this area up to the late 1950ies. The objective of this study was to evaluate whether the soil contamination in this area is associated with increased levels of arsenic, heavy metals and PCCD/PCDF in the blood and urine of selected residents living on highly contaminated grounds. Results: The blood levels of lead and PCDD/PCDF and the urine levels of arsenic, cadmium and mercury that were measured in 29 residents living on highly contaminated grounds were not elevated in relation to a control group. All individual values were in the range of the background exposure levels of the general population. There were no signs of an increased additional exposure related to soil contamination. Conclusions: Based on the results of this study it was agreed to refrain from an expensive redevelopment of this area. As a preventive measure some recommendations were given to the residents to minimize possible exposure to soil contaminants. Human biological monitoring studies should be an essential part of exposure and risk assessment of soil contaminations in residential areas in future studies and as a basis for adequate risk management.

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Prof. Dr. Ulrich Ewers

Hygiene-Institut des Ruhrgebiets

Rotthauserstraße 19

45879 Gelsenkirchen

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